Donnerstag, November 23, 2006

Strategische Unternehmenskommunikation bei e.on

Es wurde bereits über die Erstellung überhöhter e.on-Abrechnung durch Schätzungen berichtet, welche dazu führt, dass die Kunden des Energieriesen dem Unternehmen großzügige Kredite gewähren. Jetzt habe ich einen Einblick bekommen, wie sich die Abrechnungserstellung, die viel kritisierte Erhöhungspolitik und die Kommunikationsvorgabe des Callcenters zu einer Gesamtstrategie verbinden.

Eine Mitarbeiteren des Callcenters teilte mir mit, dass mein Zählerstand im August korrekt übermittelt und im System verbucht wurde. Augenscheinlich hat man ihn also bewusst ignoriert, um eine Schätzung vorzunehmen. Das ist die Ausgangslage.

Dem weiteren Text der Service-Mitarbeiterin war dann zu entnehmen, dass die Unternehmensstrategie darin besteht, die Diffenrenz auf keinen Fall auszuzahlen: als erstes spielte sie es herunter, es sei ja nicht viel Geld. Nach einer kurzen Rechnung stellte sie allerdings fest, dass dieses Argment für über 200 € nicht mehr uneingeschränkt gültig ist. Dann erklärte sie mir, dass diese Abrechnung ganz in meinem eigenen Interesse sei: da die Preise jetzt im November und dann in einem zweiten Schritt im Januar (auch wegen Mehrwertsteuer) um ca. 7% steigen, wäre ich durch die Schätzung absolut im Vorteil und hätte die einmalige Chance ca. 300m³ Gas zum alten, günstigeren Preis zu beziehen, wenn ich nur diese Abrechnung akzeptierte. Da in Callcentern für alle Fälle Kommunikationsvorgaben bestehen, damit kein schlecht ausgebildeter Mitarbeiter Bauchentscheidungen trifft, ist das also die Strategie.

Hier ist auf eine interessante Weise zu erschließen, wie die - nach Meinung der Verbraucherschützer absolut unbegründeten - Preiserhöhungen scheinbar dazu eingesetzt werden, nicht nur mehr Geld von den Kunden einzuziehen, sondern zunächst einmal möglichst schnell dieses Geld zu bekommen. Die Erhöhungen sind ein strategisches Mittel im Spiel mit den Verbrauchern: sie rechtfertigen das Einbehalten im Voraus geleisteter Zahlungen und sie ermöglichen es, die Verbraucher vollends zu verwirren, was wiederum den Verkauf von Garantieoptionen, die gegen eine relativ üppige Zahlung einen stabilen Gaspreis für ein Jahr garantieren, möglich macht. (Scott Adams spricht im "Dilbert-Prinzip" bei Energie- und Telefonieanbietern von einem "Konfusopol", weil es unmöglich ist, für den eigenen Bedarf das wirklich günstigste Angebot zu ermitteln.)

Sollten die Sammelklagen gegen die Erhöhungen Erfolg haben, geben Kunden, die sich darauf einlassen, einfach zinslosen Kredit. Sollten sie keinen Erfolg haben, ist der Kredit ohne Frage zinsgünstig, da es sich lediglich um Opportunitätskosten handelt (entgangene Erhöhung auf ein bestimmtes Volumen bei - angeblich - sinkenden Rohstoffpreisen).

Edit 01.12.06:

Im Hamburger-Abendblatt vom 21.11.06 ist zu lesen: "Vor wenigen Tagen kündigte das Unternehmen für Anfang 2007 erstmals wieder eine Preissenkung an". Das widerspricht den Aussagen der Hotlinerin und verwässert den angebotenen Deal. Solle man etwa damit rechnen, Prozesse zu verlieren und saftige Rückzahlungen leisten zu müssen?
Jedenfalls steht dort auch: "Die Verbraucherzentrale sieht die Geschäftspraxis kritisch." Ich habe mich entschieden, nicht auf Deals einzughen, sondern das Geld zu nehmen, denn wie sagte schon Max Estrella (als ihm das Gas abgedreht wurde, angeblich): "Más vale el gorrión en tus propias manos que la paloma en la mano del monopolio".

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