Freitag, November 10, 2006

Open BC, Xing oder der Mythos der Verlinkung

In der heutigen Zeit - Web 2.0 greift um sich - haben wir es immer stärker mit einem neuen Mythos des Alltags zu tun: der Selbstdefinition als Teil des Netzes. Was schon für die Unternehmenskommunikation beschrieben wurde, gilt auch für den Privatmenschen. Er gewinnt seine Identität immer weniger aus dem, was er kann, was er ist und was er leistet, sondern daraus, mit wem er verbunden ist.

Der Blogger definiert sich durch die Zahl der Verlinkungen und ggf. durch die Qualität der Verlinkungen. In welchen Kreisen bewegt er sich, wen kennt er, zu welchen Netzwerken gehört er. Kommentarschreiber strappato definiert sich durch seine Vernetzung mit Don Alphonso, C. Heinemann definiert sich durch den Kontakt zu einem Werbeblogger oder einem Knüwer. Das sagt schon eine Menge darüber aus, was diese Menschen wohl bloggen. Die Verlinkung wird dazu von Google honoriert, sie beeinflusst den Page-Rank und damit die Platzierung in der Suchmaschine. Wer gut verlinkt wird, ist relevant.

Ein interessantes Phänomen der modernen Gesellschaft, die sich jetzt des Web 2.0 bedient, ist der Open Business Club. Dort kann sich jeder mit einer Kontaktseite darstellen, Kontakte knüpfen und Karriere machen. Das eigentliche Spiel besteht allerdings darin, gemachte Kontakte offen zur Schau zu stellen und sich letztlich damit zu definieren, wen man kennt, wen man als Kontakt im Profil hat. Tritt man mit jemandem in Verbindung, schaut man zunächst, wer seine Kontakte sind. Bestehen diese zum größten Teil aus Tagträumern, die nicht mal ein Foto hochladen und über zwei Kontakte nich herausgekommen sind, Finger weg, eine solche Verbindung könnte dem eigenen Image schaden. Bestehen die Kontakte allerdings in Branchenführern, gut vernetzten Leuten, kann man selbst davon profitieren, sich in ihrem Dunstkreis aufzuhalten. So funktioniert das Netz.

Dieses Spiel wird einem zeitgenössischen Mythos in hohem Maße gerecht. Wie im Beitrag über den Mythos erläutert, besteht die Eigenschaft des Mythos darin, einem Zeichen eine neue Bedeutung hinzuzufügen und die denotative Bedeutung verblassen zu lassen. Was hier verblasst ist die eigene Identität. Sie wird zum Substrat der Verlinkung. Vielfach interessiert nicht der eigene Kontakt, sondern der Kontakt des Kontaktes, wenn nicht sogar die bloße Masse der Verlinkungen. Diese Sichtweise kann sogar zum Stillstand führen. Warum an der eigenen Persönlichkeit und eigenen Fähigkeiten feilen, wenn man besser beraten ist, sein Netzwerk auszubauen?

Aufschlussreich scheint auch die Analogie zur Unternehmenskommunikation und -identitätsbildung im Web 2.0. Wir werden immer mehr Ich-AG, freiberufliche Nomaden, digitale Bohème...

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