Donnerstag, Mai 29, 2008

Ein Schritt ins Fernsehen der Zukunft: Zattoo

Zattoo, ein sehr interessantes Projekt aus der Schweiz, bietet IP-TV an und gehört damit weltweit zu den Pioneren. Mittlerweile stehen bereits zahlreiche Sender in unterschiedlichen Sprachen zur Verfügung. So kann der Norddeutsche jetzt auch die dritten Programme empfangen, die möglicherweise nicht in seinem Kabelnetz angeboten werden (SR, SWR, RBB etc.). Das alles in einer großartigen Qualität.

Sehr positiv fällt auf, dass die erforderliche Software für diverse Plattformen bereit steht, sogar wahlweise als .deb und .rpm.
Einziger Wermutstropfen: aus lizenzrechtlichen Gründen sind die ausländischen Sender bisher erst sehr begrenzt verfügbar. Als deutscher Nutzer bekommt man etwa Fernsehen aus winkeln Spaniens, von denen der typische Ballermann-Tourist noch nie gehört hat: Extremadura TV, und Aragón Televisión, nicht aber die UK-Programme, Schweizer Sender und andere.

Der Vorteil für den Vermarkter: im Gegensatz zum klassichen Fernsehen, das zunehmend in Schwierigkeiten der Werbeplatzvermarktung und damit der Finanzierung der Angebote bekommt, hat Zattoo die Möglichkeit der Profilerstellung - Targeting ist möglich, um Werbung zielgruppenspezifisch zu schalten.

Übrigens wird Zattoo gesprochen, wie man es schreibt, nicht wie irrtümlich angenommen englisch [sättuh]. Das Wort stammt aus dem Japanischen und bedeutet "eine große Menge Menschen".

Empfehlung: Videostream der Podiumsdiskussion mit den Gründer und Geschäftsführern von Zattoo, Axel Springer Digital TV, Kabel Deutschland, und dem Social Network Bebo (welches bereits sehr interessante Formen von Entertainment anbietet) "Fernsehen war gestern! Was ist morgen?" vom DLM-Symposium 2008.

Michael Hanekes "Funny Games" zum Zweiten

Wie schon viele europäische Filmschaffende vor ihm drehte jetzt auch Michael Haneke eine exakte zweite Version seines provokanten Werks "Funny Games", welche die gleiche Geschichte mit amerikanischen Schauspielern inszeniert.

Anders als der Originalfilm sorgt die US-Kopie mit entsprechendem Marketingbudget für großes Aufsehen. Die Plakate leisten einen Beitrag, Hanekes Intention umzusetzen. Sie sind eine Finte: sie versprechen Gewaltkonsum und liefern einen Film, der mit Gewalt nicht unterhalten sondern aufzurütteln will. Gewalt ist nicht so cool, wie Tarantino und viele andere auch es uns weismachen wollen.

Sehr fraglich ist allerdings - über zehn Jahre nach dem Erstwerk umso mehr - der Effekt in Zielgruppen, die mit medialer Gewalt sozialisiert wurden. Ist die Gewalt wirklich nicht konsumierbar? Wer ohnehin sensibel ist für Kinogewalt, wird die trockene Dramaturgie und nüchterne Inszenierung von "Funny Games" und "Bennys Video" als unerträglich und verstörend empfinden. Mit Ebenenbrüchen werden die Zuschauer selbst für die Taten verantwortlich gemacht. Das Fiktive wird ausgereizt und ins Gegenteil verkehrt (Film-Narratologen dürften in Hanekes mutigem Umgang mit den Konventionen die plakativsten Beispiele für Brüche finden, welche die Standards bestätigen und offensichtlich machen). Dennoch darf man die unterschiedlichen Rezeptionshaltungen (insbesondere in Gruppen) nicht unterschätzen. Es ist durchaus möglich Filme wie "Kids" oder "Die Passion Christi" völlig entgegen ausgedrückter Intention der Macher rezipieren. Ich möchte die These aufstellen, dass dies auch für Hanke gilt, dass seine Rechnung nicht zwangsläufig aufgeht.

>> Sehr ausführliche Darstellung: Der Umblätterer
>> Trailer:

Montag, Mai 26, 2008

Tatort: "Todesstrafe" (MDR 2008) - Folge 700

Anlässlich der 700. Folge wurde das neue Ermittlergespann in Leipzig eingeführt: Eva Saalfeld und Andreas Keppler. Das Drehbuch jedoch barg keine besonderen Überraschungen, zumal wenn der Vergleich mit der genial außergewöhnlichen 600. Folge "Scheherazade" (RB 2005) gesucht wird. Dramaturgisch sind keine nennenswerten Tricks enthalten. Die meiste Spannung bezieht der Film aus den beiden neuen Charakteren und ihrer privaten Geschichte. Einige Andeutungen über ihre verflossene Beziehung sollen in den kommenden Folgen noch weiter ausgeführt werden. Das Thema dieses Tatorts wurde vor kurzem leider auch schon in einem WDR-Tatort verarbeitet ("Verdammt") und die Aussage ist pädagogisch: vor übereilter Verurteilung wird gewarnt. Man hätte noch mehr daraus machen können.

Interessant ist, wie die Geschmäcker bezüglich Lokalkolorit und Mundart auseinandergehen: das Hamburger Abendblatt lobt angenehme "Nebeneffekte für die Ohren" - statt sächselnden Figuren höre man im Tatort-Leipzig Hochdeutsch, die TV-Movie vermisst dagegen genau die lokalen Elemente. Ich stimme der TV-Movie zu. Konvergenz bekommen wir im Fernsehen schon genug und es ist beileibe auch nicht so, dass die MDR-Tatorte sich bisher mundartlich und regionaltypisch überschlagen hätten.

Wie auch immer: zu 700 Folgen deutscher Fernsehkrimis mit immer wieder neuen Geschichten, aktuellen Thematiken und zahlreichen einmaligen und prägenden Ermittlern meinen herzlichsten Glückwunsch an die Redaktionen der ARD-Anstalten, dem ORF und - obwohl schon ausgestiegen - dem SF-DRS.

Sonntag, Mai 25, 2008

Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels (USA 2008)

Nachdem der Überlängenzuschlag entrichtet war, habe ich sogleich mental mein Sitzfleisch mobilisiert: dieser Film versprach Größe. Sehr positiv, denn wie will man seine Stunden lieber verbringen als mit der Liebsten im Kino und dem Helden seiner Jugend auf der Leinwand?

Die Enttäuschung steckt im Detail. Die kostenpflichtige Überlänge des neuen Indiana Jones beträgt geschlagene zwei Minuten. Die sind schnell abgesessen. Es bleibt unklar, welche zwei Minuten des Films es waren, aber es waren proportional die kostbarsten.

Zum Film: er ist gut, allerdings vom Gefühl her etwas flauer als die drei anderen. Die Einführung des Helden ist grandios, wenn auch nicht so pompös, wie es Bollywood hinbekommen hätte. Gewisse Elemente (um Spoiler zu vermeiden) zum Ende hin werden vermutlich zurecht kritisiert. Positiv kann ich allerdings bestätigen, dass Shia LaBoef nicht Jar Jar Binks ist (wohlgemerkt, leider auch nicht Tarzan!) - wie viele andere Blogger bereits festgestellt haben, nervt er nicht.

>> Bensite
>> Dramaking
>> Knuts Notizblog
>> Netzzeitung

>> Indiana Jones Trilogie

Samstag, Mai 24, 2008

Fotografie


... aber die fertigen Brownies haben fantastisch geschmeckt!

O.K. - Ein Schlag ins Gesicht der Rechtschreibpuristen

Kürzlich bin ich auf die Herkunft des Ausdrucks okay aufmerksam geworden. Eine malerische Geschichte: Otto Krause, Qualitätsprüfer und Träger aller deutscher Klischees, war bei den Fordwerken in Detroit derjenige, der die letzte Kontrolle jedes gerfertigten Fahrzeugs durchführte und die Qualität mit seinem Kürzel bestätigte. Wo O.K. stand, war kein Fehler mehr zu finden und sprichwörtlich alles okay.

Die Geschichte vom alten Otto fasziniert. So sehr sogar, dass er wandelnde Nachnamen hat. Eine kurze Recherche im Netz offenbart die äußerst starke Mythenbildung. Ein Argument, das der Linguist nicht kleinreden kann, liegt in den ersten Funden des Gebrauchs von O.K. im Jahr 1839 - lange vor der Zeit der Fordwerke: Keine Produkte zu kontrollieren. Die wahrscheinlichste und amtliche Theorie ist die am wenigsten schöne: okay stammt vermutlich von oll korrect, einer absichtlichen Falschschreibung als Modeerscheinung. Und dabei ist okay wahrscheinlich noch der am ehesten auch von Rechtschreibpuristen anerkannte Anglizismus. Welch Ironie...

Donnerstag, Mai 22, 2008

Ornithologisches vom NDR

Diese Beobachtungsgabe gepaart mit ornithologischem Fachwissen ist einfach genial. Daher hier für alle, die vielleicht sonst auch nicht so gern Radio hören, der Link: NDR2 Wer piept denn da?

Köstlich zum Beispiel: Der Hausmotz oder die Kuchenblimse.

Freitag, Mai 09, 2008

Tatort "Der dunkle Fleck" (WDR 2002)

„Der dunkle Fleck“ ist die Debütfolge von Hauptkommissar Thiel und Rechtsmediziner Prof. Karl-Friedrich Boerne, den Münsteraner Ermittlern. So ist die gesamte Folge durchzogen von Gesprächen, die der Figurencharakterisierung dienen. Die aufzuklärenden Morde dagegen lassen sich sehr langsam an: die ermordete Helga Müller wird zunächst nur vermisst und die zwar in der ersten Szene gefundene, aber erst spät gemeldete, Moorleiche ist schon seit über zwanzig Jahren tot.

Nach und nach werden Verbindungen zur Familie Alsfeld deutlich. In welcher Weise gehört Jennifer Müller zu dieser Familie? Wie kommt es, dass eine so hübsche junge Frau die Geliebte des Patriarchen ist? Und sollte eine Verbindung zum Tod ihrer Mutter Helga Müller bestehen?
Diese Geschichte ist insgesamt eine gute Gelegenheit für Prof. Boerne, seine Qualitäten als Rechtsmediziner unter Beweis zu stellen.

Sehr auffällig sind - auch ohne rechtsmedizinische Vorbildung - die Zeichen des Luxus. Die Familie Alsfeld residiert in einem riesigen Herrenhaus. Das Innere des massiven Hauses ist dunkel inszeniert. Durch das fahle Licht, das durch die Fenster hereinfällt, erscheint es eher zwielichtig. Die Bewohner sind überheblich, der Vater Herman Alsfeld äußert sich gegenüber Ermittler Thiel über „kleinbürgerliche Vorstellungen“. Man ordnet die Familie Alsfeld in ein wohlhabendes Milieu ein, in dem Status eine große Rolle spielt. Sie veranstalten Wohltätigkeitsveranstaltungen und halten große Stücke auf das gesellschaftliche Ansehen. Doch der Tatort wäre nicht der Tatort, wie er aus der Tradition des neuen deutschen Kriminalromans entstanden ist, wenn diese sorgsam aufgebaute Fassade gesellschaftlichen Status nicht sehr bald bröckeln würde. "Kleinbürgerliche Vorstellungen" triumphieren letztlich.

>> "Der dunkle Fleck" im Tatort-Fundus
>> Wiederholung der Folge am 11.05.08 um 20:15 Uhr im WDR