Dienstag, September 26, 2006

Prekär, ein verspäteter TV-Tipp

In diesen Minuten widmet sich ARTE dem Thema prekärer Beschäftigungen (wie sieht es eigentlich bei ARTE selbst damit aus?): wer heute den Fehler macht, ein Studium zu beginnen, den erwartet nach dem entsprechenden Abschluss eine langwierige Zeit als Praktikant. Doch ganz so schwarz sieht es mit dem Studium nicht aus: auch um einen Ausbildungsplatz zu bekommen, der womöglich zu einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung endet, sollte besser vorher ein mindestens einjähriges unbezahltes Praktikum absolviert werden. Also alles völlig normal. Wer genügend unbezahlte Praktika hinter sich hat, erreicht vielleicht irgenwann eine Auszahlung des Fahrgeldes und schafft es mit einiger Erfahrung vielleicht in ein solides Scheinselbstständigenverhältnis, alernativ Zeitarbeit.

Warum suchen Firmen Seniorpraktikanten, aber keine Angestellten? Weil Geiz geil ist. Und warum ist Geiz geil? Weil sich kein Mensch mehr teure Dinge leisten kann. Die Angestellten der Discounter jammern, weil sie ausgebeutet, gemobbt und kleingehalten werden, die jungen Akademiker beschweren sich über die Jammerei, immerhin gibt es bei den Schleckerzwergen, der Lidl-Hexe und Wichtel Aldi noch Angestelltenverhältnisse.
Auch kleine innovative Firmen werden kleingehalten und runtergekocht, bangen um jeden Auftrag und nehmen deshalb auch alle die Aufträge an, die gerade mal Strom und Miete decken. Kein Geld und keine Perspektive für Angestellte. Also Praktikanten: Fortschritt erleben und Strom und Miete decken, alle halbe Jahr wo anders.

Heuschreckenkapitalismus steckt dahinter. Mit Bimbes und latenten Drohungen engagiert er sich in der Politik (das Wort "Massenentlassungen" überzeugt noch jedes MdB). Dabei ist jetzt ein neues Geschäftsfeld entstanden: die Einführung von Studiengebühren kurbelt die Kreditwirtschaft an (vermutlich verwaltet von Praktikanten).

Was sagt denn jetzt die Politik? Es gibt einen riesigen Akademikermangel, Kindermangel und Langzeitstudenten, die es sich gut gehen lassen, statt einmal Verantwortung zu übernehmen und eine Familie zu gründen und vor allem auch mal in die Rente einzuzahlen - natürlich mit stattlichen staatlichen Zuschüssen à la Riester für eine notwendige private Vorsorge (Voraussetzung ist allerdings eine richtige Beschäftigung).

Also Kinder: studiert artig mit einem der günstigen Studienkredite, macht über zwei Jahre wechselnde Praktika und kümmert euch um einen Platz als Scheinselbstständiger. Wenn ihr dann paarunddreißig seid, könnt ihr vielleicht anfangen, euren Studienkredit abzustottern. Danach könnt ihr für Nachwuchs sorgen, sofern die biologische Uhr noch tickt und ihr überhaupt zeugungsfähig seid, bei all dem Stress und der Jobangst. Denn unser Staat braucht ja Leute, die in die Sozialversicherung einzahlen *hust*. Außerdem sollen die lieben kleinen, wenn es nach unserer Politik geht, ja möglichst bald Tabaksteuer bezahlen und die Wirtschaft ankurbeln indem sie Klingeltöne herunterladen.

Oder macht es richtig: übt Radfahren und macht "Proktologiepraktika" für eine politische Karriere oder bezieht wahlweise, sobald es möglich ist, ALG II - dann habt ihr genug Gelegenheit, Kinder zu machen und sie großzuziehen. Nebenher könnt ihr euch engagieren, vielleicht für ausgebrannte "Seniorpraktikanten".

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