"Heat" gilt - sicherlich zurecht - als einer der besten Gangsterthriller. Es verwundert nicht, dass die dramaturgische Struktur das Field'sche Schema erkennen lässt. Heutzutage gehen zwar die meisten Dramaturgen davon aus, dass Field ein Scharlatan und grundweg abzulehnen ist (Regel #5), doch allzu schnell sollte man ihn noch nicht verwerfen. Fest steht sicherlich, dass allein mit Field kein Blumentopf mehr zu gewinnen ist. Field kann kein Drehbuch retten und Field kann auch aus keiner mittelmäßigen Idee einen Hollywoodknüller machen. Dennoch rate ich zur Vorsicht, ihn komplett über Bord zu werfen: Das von Field entwickelte Schema hilft blutigen Anfängern, eine Geschichte überhaupt einmal zu strukturieren und auch wenn es nicht explizit angegeben ist, kann man das Schema durchaus auf mehreren Ebenen anwenden und jedem Handlungsstrang damit eine kohärente Basisstruktur verleihen. Selbst wenn nicht zu erwarten ist, dass ein mit Field strukturierter Film ein Geniestreich wird, kann man dennoch nicht bestreiten, dass sein Schema funktioniert, was vermutlich inzwischen auf die gekonnte Konditionierung durch Massen von derart strukturierten Filme zurückzuführen ist.
Heat nutzt zwar offensichtlich das Field'sche Schema, aber auf eine kreative Weise. Der Film weicht schon durch die Länge von 2 Stunden und 40 Minuten vom Schema ab. Außerdem ist die Dramaturgie mehrschichtig (die Wendepunkte, Klammern, der zentrale Punkt betreffen verschiedene Themen - Liebe vs. Verbrechen - und außerdem verschiedene Figuren).
Besondere Stilmittel liegen vor allem in den Figuren: die Verbrecher (außer Waingro natürlich) sind von Anfang an sympathisch charakterisiert. Man gönnt ihnen den Erfolg. Und als sie (nach knapp 80 Minuten - Mitte des Films) die Entscheidung treffen, den großen Coup durchzuziehen, ist das Fiasko sicher. Dabei könnten sie alle mit dem bereits Erbeuteten und ihren Frauen aussteigen und gemütlich leben.
Vincent und Neil sind eine Art Doppelgänger, "besessen vom Verbrechen, getrennt durch das Gesetzt" (Text auf der DVD). Und das sind sie nicht nur durch die ähnliche Besetzung mit Pacino und de Niro. Gemeinsam scheitern sie - weil sie nicht anders können. Auf der Ebene des Mythos bestätigt "Heat" interessanterweise den amerikansichen Traum: alle habe die gleichen Chancen zur Selbstverwirklichung, zu einem erfüllten und ertragreichen Leben, (ironischerweise) selbst die Verbrecher. Weil sie ihr Streben aber übertreiben, den Hals nicht vollkriegen können, scheitern sie schließlich. Die negative Darstellung übertriebener Formen bestätigt das Ideal und "Heat" bestätigt so den American Dream.
Anmerkung:
Eine interessante Bemerkung macht Pacino in der deutschen Synchronfassung, als er Alan Marciano unter Druck setzt:"bin ich nicht ein wilder Tiger?" - wie wir wissen ist sein Doppelgänger ein "wilder Stier". Leider ist von dieser Verbindng in der englischen Originalfassung nichts enthalten:
Alan Marciano: Why'd I get mixed up with that bitch?
Vincent Hanna: Cause she's got a great ass... and you got your head all the way up it! Ferocious, aren't I? When I think of asses, a woman's ass, something comes out of me.
(Quelle: IMDB)
Siehe auch:
>> Zum Thema Doppelgänger (sehr lesenswert) - Doležel, Lubomír: „Le triangle du double. Un champ thématique.“ In: Poétique: revue de théorie et d'analyse littéraires 61 (1985), 463-472.
>> Heat
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