Samstag, Januar 03, 2009

Über die Legitimität dramaturgischer Tricks - Tatort: "Fürstenschüler" (MDR 1998)

Zunächst sei gewarnt, dass dieser Beitrag wie viele andere im dramaturgischen Kontor einen Spoiler enthält, also den Täter verrät und daher besser erst nach dem eigentlichen Film rezipiert werden sollte.

Kerstin, Schülerin eines sächsischen Elite-Internats, der „Fürstenschule“, kennt ein Geheimnis ihres Mitschülers Frank, da sie seine heimlichen Treffen mit einer den Zuschauern zunächst unbekannten Person beobachtet. Sie setzt Frank, um den sie offensichtlich wirbt, damit unter Druck. Wenig später liegt sie tot im Fluss. Durch die rechtsmedizinische Untersuchung kommt heraus, dass Kerstin schwanger war. Der – unter einigem Protest der Schulleitung – durchgeführte DNA-Test ergibt, dass Frank der Vater des Kindes ist. Er gibt zu, dass dies während einer Klassenfahrt nach Prag passiert sein muss. Kerstin bedeutet ihm nichts. Im Verhör gesteht Frank, dass er sich tatsächlich zur Tatzeit mit Kerstin getroffen hat. Im Streit stieß er Kerstin ins Wasser, sie ertrank. Frank flieht vor der Polizei. Am nächsten morgen wird auch er tot aufgefunden. Blutspuren und die Aussage einer Rezeptionistin, dass Frank sich regelmäßig mit einem Mann in einem kleinen Hotel traf, belasten den Internatsdirektor Dr. Hermann. Im Polizeiverhör legt dieser ein Geständnis ab, das allerdings den Tatsachen widerspricht. Tatsächlich war es seine Frau, die Frank erschlug, weil er drohte, sein Schweigen zu brechen und damit die Karriere des Schuldirektors zu zerstören.

Die Dramaturgie dieser Tatort-Folge basiert auf einer Informationslücke. Man sieht Frank beim heimlichen Liebesspiel mit einer unbekannten Person im Hotel. Durch den Trick, den Text der folgenden Szene auf die Bilder der Hotel-Szene zu legen, wird suggeriert, dass Frank sich mit der Frau des Direktors trifft. Frank liegt auf dem Bett, blickt auf die Uhr und ruft ins Badezimmer, wo jemand duscht, „wir müssen uns beeilen“. Wie eine Antwort wird daraufhin die Aussage von Frau Hermann „wir haben noch fünfzehn Minuten Zeit“ interpretiert, die jedoch bereits zur nächsten Szene gehört, wo sie eine Klassenarbeit beaufsichtigt. So ist davon auszugehen, dass bei der Erstrezeption jeder Zuschauer annimmt, Frank habe sich mit Frau Hermann getroffen, nicht mit ihrem Mann.

Die Auflösung erfolgt erst spät, als durch bei Kerstin gefundenen Hinweisen auf das Hotel die Rezeptionistin befragt wird und aussagt, Frank habe sich keineswegs mit einer Frau getroffen, sondern mit jemandem, der sich als sein Vater ausgab.

Der Trick, den Text aus der Folgeszene mit dem passenden Thema Uhrzeit, einfach auf die Bilder der Hotelszene zu legen, ist mit Sicherheit legitim - erlaubt ist, was funktioniert und durch diese Informationslücke konstruiert sich ein kompletter dramaturgischer Bogen, der diese Tatort-Folge trägt. Wohl aber wird deutlich, dass dieser Trick stark konstruiert ist und daher im nachhinein an Kraft verliert.

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