Wie sehr sich das Genre des Katastrophenfilms in Entwicklung befindet, zeigt die RTL-Großproduktion „Vulkan“. Der Zweiteiler ist seit langem einmal wieder ein aufwendiger TV-Movie aus Deutschland und seit langem ein neuer Katastrophenfilm. In der Eifel kommt es ganz plötzlich zu vulkanischer Aktivität. Wenige Tage später bricht der Vulkan aus und legt den malerischen Ort Lorchheim in Schutt und Asche. Die Staubwolke reicht bis nach Frankfurt. Zahlreiche Menschen sterben, andere kämpfen zäh ums überleben. Es mag ein Ausdruck des zunehmenden Individualismus in der heutigen Gesellschaft sein, wenn dabei Egoismus dominiert.
Altruisten sind rar geworden in dieser Welt, besonders wenn das Ende in der Form toxischer Asche und glühender Magma naht. Wo frühere Katastrophenfilme noch bescheidene Menschen zu Helden werden ließen, die im Leben manchmal zu kurz kamen, werden heute Personen gezeigt, die hemmungslos an sich denken, andere nur für ihr eigenes Wohl einspannen – und damit durchkommen. So etwa Einzelhändler Schöngau, der auch noch als Lorchheim schon nicht mehr zu retten ist, seinen Supermarkt mit Waffengewalt verteidigt. Schöngau mobilisiert eine Gruppe Verzweifelter, sich ihm anzuschließen, entgegen aller Ratschläge des selbstlosen Feuerwehrmannes Michael Gernau. Tatsächlich schafft es Schöngau, sich bis zu einer Straße durchzuschlagen (im wahrsten Sinne des Wortes). Ohne Vorwarnung schießt Schöngau Phil Friedrichs an, der todesmutig seine Familie im Aschregen sucht, und klaut dessen Auto. Seine Mitstreiter hat er dabei bereits vergessen, sie schaffen es nur aus eigenem Selbsterhaltungstrieb in Phils Geländewagen.
Auch der hart verhandelnde Bänker Gerhardt Maug kommt damit durch, eine wahrscheinlich sechs stellige Summe aus dem Safe der lädierten Bank zu entwenden. Prophylaktisch fackelte er zuvor außerdem sein Haus ab – für den Fall dass der Vulkan keine ernsthaften Versicherungsschäden hinterlassen sollte. Die Filmerzählung belohnt ihn gar: Seine ganze Familie überlebt. Michael, einer der wenigen integeren Helden - wenn auch einigermaßen naiv, hingegen opfert sich schließlich zugunsten seiner großen Liebe Andrea, des Vaters Phil nebst Zwillingen und einer Gruppe von Personen, die alle ihre kleineren Vergehen auf dem Kerbholz haben.
Eine Figur, die im klassischen Katastrophenfilm das Zeug gehabt hätte, zum Helden und moralischen Gewinner zu werden, ist der örtliche Ordnungsbeamte Walter Röhricht. Wie einst Max und Moritz – nur mit moderneren Mitteln – spielen ihm die Jugendlichen Maggi und Lupo Streiche, bis er kurz vor dem Selbstmord steht. Als sich ihm die Gelegenheit bietet, zeigt Röhricht jedoch keine Größe, sondern übt Rache.
So beginnt sich der Egoismus im Katastrophengenre durchzusetzen. Heutzutage wird im Katastrophenfilm wieder Aug um Aug gerächt, ohne lang zu fackeln. Man stelle sich vor, Lehrer Lämpel hätte Max und Moritz kurzerhand erschossen.
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