Sonntag, November 04, 2007

Viralität von Filmen und Büchern oder "wenn man erstmal den Würgereflex überwunden hat, ist eigentlich alles viral"

Was Filme (und hier soll es um Kinofilme gehen, nicht um die Clips, die von hippen Werbefuzzis für YouTube gebastelt werden) viral macht, ist eigentlich altes und bewährtes dramaturgisches Handwerk: Witz, Coolness und dergleichen. Was heute von einigen Leuten als Trigger gefeiert wird (vgl. etwa Schock/Angst/Selbsterhaltung), sind bewährte dramaturgische Überraschungseffekte, die heute viral wirken können, weil jeder das entsprechende Werbefilmchen weiterleiten kann. Gleiches mit anderen "Triggern".

Doch was macht speziell Kinofilme viral? Ein nettes Beispiel liefert der Trailer von Ratatouille - wer die sehr früh und sehr häufig gezeigten Trailer einmal mit dem Film verglichen hat, dem dürfte aufgefallen sein, dass diese sehr witzigen Szenen nur für den Trailer entstanden und nicht dem Film entnommen sind. Sehr markant ist, was Emile zu seinem Bruder Remy sagt: "Wenn man erstmal den Würgereiz überwunden hat, kann man eigentlich alles essen". Diese weise Aussage hat echtes Potenzial, durch die Betriebskantinen zu gehen und auf Schulhöfen jedes Pausenbrot zu begleiten. Wie gut es letztlich funktioniert hat, ist unklar, möglicherweise ist dieser Satz auch viel zu lang, aber genau solche Schoten sind es, die weitergetragen werden.

Derartiger Wortwitz ist im Trailer natürlich sehr gut untergebracht, doch auch im eigentlichen Film effektiv. Jede markante Aussage mit Esprit kann es sein. Hier dürfte jeder eigene Favoriten haben, besonders diejenigen, die ganze Filme zitieren können. Man zitiert etwa Hannibal Smith vom A-Team: "Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert" oder eine alte klingonische Weisheit: "Rache ist ein Gericht, das am besten kalt serviert wird".

Gleiches gilt für Running Gags, mit denen man nicht nur im Insider-Kreis sofort die Lacher auf seiner Seite haben kann, sondern zugleich allen anderen die Nachteile aufzeigt, nicht dazu zu gehören. Hier noch einige Beispiele aus der Unterhaltungsliteratur, wo das Prinzip natürlich auch funktioniert. Sollte das hier jemand verstehen, ist das etwa "Zufall? Synchronizität? Das verchromte Megaphon des Schicksals?" oder es handelt sich einfach um einen Fan von Robert Rankin. Ebenso wie Fans der Geisterjägerin Patricia Vanhelsing stets versichern, sie hätten das Standardwerk "Absonderliche Kulte" des deutschen Okkultisten Hermann von Schlichten aus dem mittelalterliche Latein übersetzt, wenn man sie nach dem letzten Wochenende fragt. Gut, so zahlreich sind die Fans der beiden Beispiele möglicherweise nicht, aber der Mechanismus der Running Gags beinhaltet hochgradig virales Potenzial.

Wie es ausschaut, dämmert den Machern bereits die virale Wirkung markanter Aussagen und ihr Werbeeffekt für die Filme, doch noch scheint es nicht, als würden sie wirklich bewusst eine Strategie der Vermarktung darauf aufbauen. Zudem kann noch weit mehr an dramaturgischen Kniffen als virales Mittel für die Vermarktung genutzt werden.

Wer noch schöne Running Gags kennt, bitte gern in den Kommentaren zum Besten geben.

>> Virales Marketing vs. Guerrilla
>> Virales Marketing im ethority Glossar

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Es ist zwar kein Running Gag, aber wer den Film 'Kids' gesehen hat, erinnert sicherlich an das Zitat "Keine Angst, ich bin's: Casper.".

Mag sich in einem anderen Kontext ganz harmlos anhören, erweckt aber zumindest in mir die Erinnerung an die unglaubliche Hoffnungslosigkeit dieser Szene.
Naja, nicht unbedingt der beste 'Trigger' für eine virale Kampagne ;-)

Du könntest neben der Abgrenzung von viralem- und Guerilla-Marketing noch Seth Godins Post über den Unterschied zwischen viralem Marketing und Word of Mouth hinzufügen :-)

Björn hat gesagt…

An Casper erinnere ich mich... ich glaube, das ist eher ein Viralstopper, also wirklich nicht der beste Trigger. Um es einfach so - in der entsprechenden Situation oder auch nur im Freundeskreis - anzubringen, ist es zu krass und zu wenig lustig. Und wenn es als lustig aufgefasst wird, ist dein Freundeskreis zu krass.

Danke für den Tipp, ich halte es absolut für sinnvoll, Word of Mouth und Viralmarketing zu trennen.

Angewendet auf den Film wird es ganz plastisch:
- "ich habe den witzigen Film mit der Ratte gesehen und mich köstlich amüsiert, sehr zu empfehlen" ist Word of Mouth
- "wenn man erstmal den Würgereflex überwunden hat, kann man eigentlich alles essen" ist viral.

Anonym hat gesagt…

Du hast Recht - das Casper-Zitat ist eine Spur zu krass.
Nur hieß in meinem Freundeskreis zur Zeit des Films auch noch jemand Käspa mit Nachnamen, so dass es sich zumindest innerhalb dieser Peer Group ziemlich viral verbreitet hat ;-)

Nette Veranschaulichung durch die beiden Rattatouille-Zitate btw.!

Björn hat gesagt…

Käspa... nicht schlecht, ich denke dann funktioniert es wieder. Nur für strategische Ansätze wird es schwierig.