Samstag, Juni 26, 2010

"Ubuntu" von Stephen Lundin und Bob Nelson

Nur faule Saboteure im Team? Das muss nicht sein, würde Stephen Lundin jetzt sagen.

Lundin verkauft Ideen rund um das Thema Motivation. Im April erschien sein und Bob Nelsons neuestes Werk auf dem deutschen Buchmarkt: "Ubuntu" verarbeitet afrikanische Philosophie (vielen wahrscheinlich bekannt durch die gleichnamige Linux-Distribution).

Verpackt in die schnurrige Geschichte um den Welt-Konzern Bulls Eye erzählt Lundin, warum, wie und mit welchem Effekt Ubuntu im geschäftlichen Handeln eingesetzt werden sollte. Die Geschichte lässt sich auf einen Satz zusammenfassen: Man muss jedem Menschen Respekt entgegenbringen; nicht weil er fleißig ist oder besondere Dinge leistet, sondern weil er ein Mensch ist. Die Erzählung bleibt dabei meist sehr oberflächlich und vorhersehbar. Damit bleibt das Buch als Fachbuch zu märchenhaft und als Märchen zu fachlich, vielleicht zu banal.

Mit amerikanischem Pathos kommt die Weisheit aus Afrika daher, als Simon den Schatz seiner Erfahrung verteilt. Er ist in Südafrika mit Ubuntu groß geworden; Ubuntu ist für ihn so selbstverständlich wie die Luft zum Atmen. Er rettet mit diesem Wissen seinen Vorgesetzten, John, der – trotz aller Managementseminare – große Probleme mit seinem Team hat. John beginnt einzusehen, dass nicht seine Mitarbeiter faul und böse sind, sondern er selbst als Manager vielleicht neue Wege einschlagen muss.

Moden kommen und gehen im Management. Lundin ist sich dessen bewusst und seine Figuren  sprechen den Zynismus offen an, „mit dem viele Mitarbeiter neuen Management-Programmen mittlerweile begegnen“. Die abschließenden Kapitel widmen sich deshalb der Aufgabe, genau dem vorzubeugen. Ubuntu soll weder per Dekret noch als Projekt eingeführt werden. Ubuntu funktioniert nur, wenn es aus dem Wunsch der Mitarbeiter selbst zum Teil der Unternehmenskultur wird.

Die handelnden Figuren sind stark typisiert und funktionalisiert, um einen möglichst plakativen Eindruck zu geben. Man wird sie nach der Lektüre vermutlich so schnell vergessen, wie man sie kennen gelernt hat, und das weist auf den positiven Aspekt des Buches hin: Es ist in sehr flüssigem Stil verfasst und zieht den Leser förmlich durch die 155 Seiten. Auf einer Bahnreise mittlerer Länge kann man es wahrscheinlich komplett lesen.

Wikipedia stellt fest: „In der ruandischen/burundischen Sprache bedeutet Ubuntu Gratis.“ Bleibt also zu hoffen, dass Lundins Werk nicht umsonst ist und Afrika auf diesem Weg beginnt, Menschlichkeit in die Welt zu bringen, wie es der mehrfach zitierte Bürgerrechtler Steve Biko prophezeit.

Freitag, Juni 11, 2010

"Die Kreative Matrix" von Philip Parker

Vor nur vier Jahren war sie bereits angekündigt: die Rezension von Die kreative Matrix des britischen Autors Philip Parker. Das Buch richtet sich an alle, die mit Drehbüchern zu tun haben, vornehmlich an Autoren.

Parker entwirft besagte Matrix, um kreative Prozesse einer Filmerzählung strukturiert und in ihren Abhängigkeiten zu erläutern. Sie besteht aus den in Paaren gruppierten Elementen Geschichte und Thema, Form und Handlungsführung sowie Genre und Stil. Die Ordnung könnte sehr wohl auch eine andere sein, dennoch gelingt es Parker, eine eigene Nische zwischen anderen Drehbuchratgebern zu besetzen und Aspekte anzusprechen, die andernorts nicht vorkommen (etwa bei Linda Seger, Eugene Vale und schon gar nicht bei Syd Field). Parker wird seinem Anspruch gerecht, diese Aspekte nicht vereinzelt herauszugreifen, sondern in ihrer Abhängigkeit darzustellen, wenngleich er dabei auch Themensprünge macht und verständlicherweise auf 318 Seiten nicht alles im gebührenden Umfang behandeln kann. Als einer der wenigen geht er speziell auf Genres ein, kann aber auch dieses Thema nicht ausführlich behandeln. Der Ton des Buches ähnelt dabei schon sehr Parkers Kollegen.

Schnell zeigt sich, dass die - von Parker belächelten - Absolventen der Literaturwissenschaften ein theoretisches Basiswissen mitbringen, das handwerklich richtig angewendet jeden einzelnen Drehbuchratgeber in den Schatten stellt. Die Unterscheidung zwischen Geschichte und Erzählung (als perspektivische und nicht-chronologische Aufbereitung der Geschichte), die Parker nahezu bahnbrechend feststellt, ist eine Grunderkenntnis der Narratologie und lässt sich bei Gérard Genette umfassend nachlesen.

Leider sieht Parker davon ab, Ergebnisse der narratologischen Forschung zu verwenden. Stattdessen definiert er gern selbst, bleibt dabei jedoch vielfach nebulös. Erläuterungen wie die unterschiedlicher Arten von Zeit: "3. Gefühlte Zeit. - Dies ist die Zeit, die durch die Länge oder den Winkel einer Einstellung und/oder die Aneinanderreihung von Einstellungen zum Ausdruck gebracht wird" (S. 50) erschließen sich nur schwer. Sehr fraglich ist beispielsweise auch die Trennung von Thema und Geschichte, wie Parker sie vornimmt. Danach basieren Filme entweder auf dem einen oder dem anderen. Zuweilen drängt sich der Eindruck auf, Parker schriebe diese Definitionen aus dem Stehgreif, statt sich auf bestehende wissenschaftliche Diskurse zu beziehen.

Der praxisnahe Ansatz der Kreativen Matrix wird nur stellenweise durch den leicht sprungahften Aufbau der Argumentation und teilweise sehr lange Checklisten getrübt. Herausragend wird die Nähe zu Praxis, als Parker zum Ende handwerkliche Details erklärt, die bei anderen Drehbuchratgebern fehlen. Man erfährt notwendige Formalien der Drehbücher, die auf einen Blick den Amateur vom Profi unterscheiden. Eine nützliche Handreichung ist auch das Schema der schrittweisen Überarbeitung, das vorbeugt sich zu verzetteln, wenn man alle Aspekte gleichzeitig oder ungeordnet in der Überarbeitung vermischt.

Insgesamt ist Die Kreative Matrix eine interessante Ergänzung zu den bisherigen Drehbuchratgebern insbesondere in den Punkten Überarbeitung und Vermarktung sowie dem Zusammenspiel der Aspekte. Der Praxisbezug ist groß. Ein Studium der Sprach-, Literatur und Medienwissenschaften ersetzt es natürlich nicht. Vor dem Hintergrund, dass ein solches Studium den unabhängigen Umgang mit Film und Drehbüchern ermöglicht, ist Parkers Kritik an Fernsehdramaturgen mit Cambridge Abschluss in Literaturwissenschaften deplatziert - vorausgesetzt die Absolventen haben einen Zugang zum Medium Film.