Freitag, Februar 15, 2013

Neulich beim Billard - oder die Illusion exakter Wissenschaft

Ein Billardcafé irgendwo in Altona: an den Queues drei junge Burschen mit großen nerdigen Brillen und Zwei-, Drei-, Nochmehrtagebärten. Die Hemden kariert, die Schnürsenkel offen. Alle drei sind Akademiker, just nach dem Examen.

Der eine ist Physiker und hat einen gut bezahlten Job, der ihm viel abverlangt. Zum Glück konnte er dieses Treffen mit seinen alten Schulfreunden arrangieren. Er trifft bei kaum einem Stoß, repetiert aber lautstark bekannte Naturgesetze. Als zum ungezählten Mal "Einfallswinkel gleich Ausfallswinkel" fällt, verlässt eine junge Blonde, mit einer ebenso nerdigen schwarzen Brille, jedoch ohne Bart, das Lokal.

Der andere ist Soziologe, arbeitslos und das trotz der angeblichen Informationsgesellschaft. Er trifft auch nicht, kann aber die Situation präzise erklären. Sein Mitspieler, der soeben die junge Dame vertrieben hat, die er eigentlich beeindrucken wollte, versuchte sein performatives Defizit damit zu kompensieren intellektuelle Überlegenheit zu demonstrieren. Das dadurch entstehende soziale Paradoxon verdoppelt jedoch den Druck der Peergroup: Er spielt nicht nur schlecht Billard, er nervt.

Der dritte ist Bewegungswissenschaftler. Er ist prekär beschäftigt und arbeitet als Trainer für verschiedene Sportarten und gesundheitliche Prävention. Er sagt nicht viel (außer einigen markanten Parolen), trifft aber immer.

Welche Wissenschaft erfolgreich ist, wird hier schnell deutlich. Aber welche Wissenschaft ist im Alltag exakt? Und wer ist damit letztlich erfolgreich? Alle Illusion von Exaktheit verschwindet mit der 8 im letzten Loch. Vielleicht ist es nur ein Appell an alle Vertreter sogenannter "weicher" Disziplinen, sich zu positionieren und interdisziplinär zu arbeiten. Das baut den Druck ab und wahrscheinlich ist der Erfolgt letztlich größer als er in der Konkurrenzgesellschaft vereinzelt je sein könnte.

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