Montag, Januar 25, 2010

Protzen, prahlen, angeben

Gern zu zeigen, was man hat, ist ein verbreitetes Phänomen in Zeiten, die auf Krisen folgen. Als ein unschätzbares Dokument sozialer Befindlichkeiten und des Lebensgefühls vergangener Jahrzehnte greift auch der Fernsehkrimi dieses Thema auf. Im Film "Strandkorb 421" aus der Reihe Stahlnetz, 1964 vom NDR produziert, geht es um eine Gruppe von Dieben, die es auf alleinreisende Casino-Gewinner und allgemein auf Touristen abgesehen haben. Die Handlung spielt an Urlaubsorten und in Spielbanken auf Norderney und in Baden-Baden. Reiseziele, die sich Deutschlands Bürgerinnen und Bürger wieder leisten konnten. Sogar Maurer würden plötzlich im Sommer Urlaub machen, erfährt man in diesem Krimi, obwohl sie doch nur in dieser Jahreszeit arbeiten könnten.

Lehrreich erklärt der Leiter des Kommissariats in dieser Stahlnetz-Folge seinen Mitarbeitern, wie dreiste Diebe die Ferienzeit nutzen. Die Opfer der Einbrüche hätten allerdings auch zu wenig auf Sicherheit geachtet.
"Also zur Sache: Bedauerlicherweise bestellen immer noch sehr viele Leute, die verreisen, ihre Brötchen nicht ab, ihre Milch, ihre Zeitung; verschließen ihre Fenster mit Läden und haben ihr Telefon auf Auftragsdienst gestellt mit dem ausdrücklichen Hinweis, sie sind sechs Wochen verreist. Also für jeden gewitzten Einbrecher die zuverlässigtsen Tipps."
Was hat es auch für einen Sinn, teuer zu verreisen, wenn niemand davon Notiz nimmt?

Das Web 2.0 greift das menschliche Bedürfnis nach Prahlerei nun mit einem absolut formvollendeten Dienst auf. Bei blippy.com können alle Teilnehmer Kreditkarten, Online-Bezahlaccounts wie PayPal oder Accounts von Online-Shops anmelden und damit automatisch aller Welt mitteilen, was sie gerade Tolles gekauft haben. Laut Selbstdarstellung des Anbieters ist das eine bequeme Basis, um sich über die neuen Erungenschaften auszutauschen. Man kann Tipps teilen und guten Freunden zum neu gekauften, überteuerten Krempel kondolieren. Dies ist nicht nur ein weiteres Tool des Social Webs, alle Weltbürger zu Freunden zu vernetzen, es ist auch eine unschätzbare Datenquelle der Werbewirtschaft für marktforscherisches Profiling. Liebende Paare können gegenseitig ihre Kreditkarten dort anmelden, um einander zu zeigen, wie wenig sie zu verbergen haben. Vielkäufer können Taugenichtse ("Minderleister" sagt man heute) motivieren, reich zu werden, um auch viel zu kaufen, was wiederum die Volkswirtschaft stärkt. Der Besitz digitalen Geldes ist natürlich Voraussetzung. Aber wer noch Schecks mit dem Füller schreibt, twittert vermutlich ohnehin noch auf Büttenpapier.

Die Nutzer des neuen Dienstes stammen noch vor allem aus den USA. Sie fröhnen den neuen Errungenschaften digitaler Prahlerei. Verbraucherschützer raufen sich derweil die Haare.

Keine Kommentare: