Sonntag, Dezember 07, 2008

Moderne Gesellschaft II: Umfrage zeigt, Enkelkinder beliebter

Vier von sechs Deutschen würden es vorziehen sofort Enkelkinder zu haben und auf eigene Kinder zu verzichten. In den Benelux-Staaten und Frankreich liegt die Quote mit ca. 33% weit niedriger, was auf die dort stärker geförderten Betreuungsmaßnahmen zurückgeführt werden kann, die eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zulassen.

Eine kürzlich erschienene Studie des renommierten Institute Pierre Marteau in Paris bestätigte mit dieser Erkenntnis einen Trend, der sich seit Jahren in der westlichen Kultur abzeichnet. Die Entscheidung, Kinder groß zu ziehen, wird zunehmend auf über 30 verschoben. Selbst was früher risikoreich und spät war, die Schwangerschaft mit über 40, ist heute keine Seltenheit mehr. Nichts desto trotz belegt diese Studie, dass die Sehnsucht nach Familie noch immer ungebrochen ist. Ursula Müller-Tilteweit, Sprecherin des Vereins Netzwerk Niederkunft e.V. kommentierte die Ergebnisse der Studie als "Tendenz zum Rosinenpicken", die sich auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen verstärkt abzeichnet. Sie betonte, dass wer den Schritt der Elternschaft überspringt, sich selbst unvergleichlicher Erfahrungen beraubt.

Moderne Gesellschaft I: Persönlichkeitsveränderung

Gestern Abend in der Hamburger S-Bahn, junge Frau, blond, Handy am Ohr:

"Nee, ich bin jetzt gleich Barmbek".

Diese rasche Metamorphose hat Größe. Denn was bedeutet es, Barmbek zu sein? Es impliziert rote Backstein-Quarees, Stadtparknähe, Barmbek Basch, die Heimat des Lotto-Kings, ja einen ganzen Olympia-Stützpunkt. Es erinnert an den Lord von Barmbek, Buggenhagen und den Hamburger Aufstand von 1923.

Und alles nur durch moderne Technik.

Samstag, November 22, 2008

Monitoring viraler Aktivität bei Google

Eine virale Aktion im wahrsten Sinne des Wortes findet man seit einiger Zeit bei Google-USA: mit Flutrends ermittelt google.com die Verbreitung der Infektion mit Grippeviren anhand der Häufigkeit bestimmter Suchbegriffe. Die Genauigkeit solcher Methoden ist sicherlich fraglich, doch ins Gespräch bringt sich der Informationsdienstleister damit allemal.

Eine Übertragung auf Europa steht noch aus.

>> via: reticon.de

Donnerstag, Oktober 30, 2008

Guybrush im Tagungshotel

Straff organisierte Tagungen sind eine beliebte Möglichkeit der Zusammenkunft von Fachleuten. Sie sind auch ein Quell frischer Ideen, zweifellos. Doch sie sind auch hermetisch - von gewitzten Schnorrern abgesehen, die sich mit wissenden Nicken an der Vollklimatisierung wärmen, in Workshops weder mit Titeln noch mit abstrusen Vorschlägen geizen und in Pausen nicht nur ihre Eingeweide mit Kaffee, sondern auch ihre Tupperdosen mit Gebäck zu füllen wissen. Tagungen sind hermetisch, weil das Hotel alles bietet und eine gute Tagung auch alles davon inkludiert. Die Außenwelt ist so weit weg wie bei Kaffeefahrten mit Rheumadeckenverkauf, damit die Veranstaltung noch im tragbaren Rahmen bleibt und genau da drängt sich ein Vergleich auf.

Die Räume, in denen Tagungen stattfinden, sind wie Monkey Island, die Straße, in der Zak McCracken wohnt oder der Kiez von Larry Laffer. Sie sind endlich. Der Außenraum existiert nicht, zumindest bis zur Abreise. Geht der unbedarfte Tagungsteilnehmer in der Raucherpause etwa zu weit nach links läuft er gegen den Bildschirmrand wie die Helden in Adventuregames. Je nach Ausrichter der Tagung kann es auch sein, dass er sich beim Versuch das Universum seiner Tagung über definierte Grenzen hinaus auszuloten, sogleich in einem nicht gebuchten Workshop, mitten in der Vorstellungsrunde wiederfindet.

Natürlich haben die klimatechnisch wiederverwertete Luft, die Begrenzung der persönlichen Reichweite und das straffe Veranstaltungsprogramm auch Auswirkungen auf das Verhalten der Teilnehmer. Sie beginnen exakt so zu handeln wie die Helden Sam & Max und Consorten. Sie nehmen alles mit, was nicht niet- und nagelfest ist. Jede Tasse Kaffee füllt den roten Lebensbalken oben links im Bild auf. Visitenkarten bringen in alter Jump-and-Run-Manier bis zu 100 Bonuspunkte. Keine Mahlzeit wird auch nur ansatzweise ausgelassen, wer weiß, wann es die nächste gibt, wenn die Vorträge das Ende über ein toleriertes Gottschalk-Niveau hinausdehnen. Erfahrene Besucher haben gelernt sich die Taschen zu füllen wie Laverne am Tag des Tentakels: Pausensnacks und Mini-Schokoriegel. In einer gut imprägnierten Anzugtasche hält sich selbst ein Saté-Spießchen bis zu sechs Stunden! Gutes Training kann noch weit mehr in Taschen und Rollköfferchen (Handgepäck) mit Teleskop-Zugstangen unterbringen. Tagungshotel-Betthupferl. Eingepackte Seife. Kleine Knopf-Annäh-Necessaires. Man weiß nie, wofür man es noch braucht. Nutella-ein-Brötchen-Portionen vom Frühstücksbüffet. Weitere Saté-Spießchen für die nächste Familienfeier. Bademäntel. Telefone. Nein, nur Spaß, das würde niemand tun.

Die Mission ist klar. Netzwerke schaffen, Gefolgsleute gewinnen wie Guybrush den Gefangenen oder den Affen. Dem Chef Erfolg auf ganzer Linie verkaufen und Spesen einfordern. Ideen (Meme!) unters Volk mischen. Den Widersacher totquatschen. Was hier vorliegt ist eine klare dramaturgsiche Überlappung von Tagungsrealität und Adventure-Game-Fiktion. Die Frage, was zuerst da war, bleibt offen.

Mittwoch, September 03, 2008

Guybrush lebt!

Für alle Fans von Guybrush Threepwood, dem Piraten, der auf Monkey Island im gleichnamigen Adventure Game mit dem Besiegen des bösen LeChuck beschäftigt war, habe ich eben eine brilliante Zusammenfassung als Flash-Film entdeckt.

Donnerstag, Juni 12, 2008

Weltfremd: der Rundfunkstaatsvertrag

Wenn die Herrschaften so weitermachen, stehen wir in absehbarer Zeit ohne öffentlich-rechtlichen Rundfunk da.

Diese weltfremde Entscheidung ignoriert komplett jeden Medienwandel.

>> Connectedmarketing
>> Süddeutsche

Sonntag, Juni 08, 2008

"Wünsch dir was" - eine Dramaturgie der Beiläufigkeit

Die Spielshow „Wünsch Dir was“ entstand 1969 nach der Idee von Kuno Knöbel (ORF) als Co-Produktion der Sender aus Deutschland (ZDF), Österreich (ORF) und der Schweiz (SRG). Die Sendung sollte eine Alternative zu den traditionellen Schemata der deutschen Fernsehunterhaltung sein und weist besonders in Hinblick auf die Klarheit der Strukturierung Unterschiede zu heutigen Shows auf. Insbesondere fällt eine sehr „lose“ Dramaturgie auf, die es heutzutage etwas erschwert, sich auf diese Sendung einzulassen. Die Struktur ist wenig förmlich, auch der zeitliche Ablauf ist sehr locker zusammengehalten. Dadurch bietet dieses Beispiel einen interessanten Kontrast zur sehr klar strukturierten Sendung „Wer wird Millionär?“ von RTL. Ganz besonders fallen die Unterschiede zu heute sorgsam vorbereiteten tränenreichen Inszenierungen von Emotionen auf: wer einen sehnlichen Wunsch im Fernsehen erfüllt bekommt, bezahlt diesen mit öffentlicher Darstellung seiner Freude, Erleichterung, Überraschung. Nicht so bei „Wünsch dir was“.

Das Ziel war, auf keinen Fall eine neue Quizsendung wie alle anderen zu gestalten. Vielmehr sollten die Kandidaten – jeweils eine Familie aus Deutschland, Österreich und der Schweiz – möglichst unvorbereitet mit interessanten Problemstellungen konfrontiert werden, die es durch harmonische Zusammenarbeit in der Familie zu lösen galt. Der Hauptgewinn ist die Erfüllung eines individuellen Wunsches, der auch titelgebend ist (z.B. Ausbau des Kellers, Fernreise, Schuldentilgung oder ein Swimmingpool). Die Moderation übernahm das Ehepaar Vivi Bach und Dietmar Schönherr.

Der Beginn erfolgt nahezu in medias res. Weder Stars noch Höhepunkte und am allerwenigsten die Gewinnmöglichkeiten (Trostpreise) werden nicht angekündigt. Die ersten drei Spielrunden erfolgen rasch hintereinander, dann scheidet die Familie mit dem geringsten Punktestand mit einem Gewinn von 1.500 DM aus. Danach erfolgt eine Zäsur, durch eine längere Musik-Einheit eines bekannten Künstlers. Im vierten Spiel ist eine Leistung zu erbringen, die durch die Fernsehzuschauer einer bestimmten Stadt durch das heutzutage kurios anmutende interaktive Verfahren des „Lichttests“ bewertet wird (die Zuschauer werden Gebeten, in der Abstimmungsphase für ihren Wunschkandidaten das Licht im ganzen Haus einzuschalten, die Stadtwerke messen den Anstieg des Stromverbrauchs – heute nicht mehr praktizierbar). Um dabei die Zeit zu überbrücken, wird auch dort eine Musik-Einheit eingefügt. Das fünfte und letzte Spiel besteht gewöhnlich aus einer besonderen Aufgabe mit Schockwirkung. Weil der Spielcharakter der individuellen Problemlösung, die häufig auf Kommunikation basiert, eine Konzentration auf jeden einzelnen Kandidaten erfordert, erfolgen die Spiele der einzelnen Kandidaten nur selten zeitgleich, sondern meist als verzögerter Wettkampf (wodurch das einzelne Spiel mehrmals wiederholt wird, also wenig Neues bringt). Die Spiele sind von Show zu Show stets neu, was jedes Mal eine neue aufwändige Erklärung der Regeln voraussetzt.

In den Spielen erfahren die Zuschauer viel über die Ansichten der Kandidaten und den Umgang untereinander. Zuschauer können Sympathie zu einer der Familien entwickeln. Im Spiel etwa, nicht zu lachen, wären die gegnerische Familie Grimassen schneitet, kostet es zwar die lachende Familie Punkte, aber ihr Humor würde sie in der Zuschauergunst wahrscheinlich steigen lassen. Einige der Spiele basieren auf Überrumplung. Die Zuschauer erhalten vom Moderator einen Informationsvorsprung gegenüber den Kandidaten, die mit Hindernissen überrascht werden. Die Zuschauer können es aus ihrer entfernten stressfreien Position amüsant finden, wie die Kandidaten vorgeführt werden. Die Wettkampfsituation tritt deutlich in den Hintergrund.

Das abschließende Spiel hat für gewöhnlich eine schockierende Wirkung. Die Problemstellung beinhaltet eine besondere Gefahr. In einer Folge von 1971 wird die Gesundheit der Familie bedroht: sie soll sich aus einem im Wasser versenkten Auto befreien. In einem populären Beispiel von 1970 ist das Image der Tochter bedroht, da überraschenderweise das Thema „Oben ohne in der Öffentlichkeit“ aus dem ersten Spiel der Sendung aufgegriffen wird und die Töchter der Familien für das Spiel in Versuchung geführt werden, eine durchsichtige Bluse zu tragen. Diese Spiele schaffen Aufmerksamkeit, weil viele Zuschauer sich die Frage stellen werden, ob solche Spiele im Fernsehen angemessen sind oder nicht (Moderator Schönherr merkt in der Folge von ’71 an, dass viele Leute schließlich großen Spaß daran hätten, sich zu ärgern). Ein dramaturgischer Gesamtbogen umfasst die Sendung durch ihren Rahmen: Spiele, durch welche die Erfüllung eines Wunsches gewonnen werden kann. Zwei kleinere kontextuelle Bögen teilen die Show in zwei Teile, getrennt durch das Ausscheiden einer Familie und eine Musikeinlage.

Das erste Segment steht für kennen Lernen und Bindung der Familien und dient dazu, eine Zweikampfsituation zu erzeugen. Der zweite Teil dient dann der Austragung dieses Kampfes, unter Berücksichtigung der genannten Aufmerksamkeitsstrategien. Innerhalb der Spiel-Einheiten ist die Spannungssteigerung eher gering, was auf die Wiederholungsstruktur zurückzuführen ist. Interesse entsteht eher durch Schock und Überrumplung.

Der durch den Wunsch erzeugte Rahmen der Sendung ist kaum ausgeprägt. Die Gestaltung einer Gewinnstruktur ist durch Beiläufigkeit bestimmt. Während der Vorstellung werden die Kandidaten beiläufig nach ihrem Gewinnwunsch gefragt. Trostpreise (diese sind schließlich Teilziele) werden vor ihrer Vergabe nie erwähnt. Der dritte Preis von immerhin 1.500 DM wird dann ad hoc sehr knapp bekannt gegeben, ganz ohne die Reaktion der Kandidaten zu zeigen. Im Finale von nur 30 Sekunden (!) wird der Vater der Siegerfamilie gebeten, den Wunsch zu wiederholen. Bezeichnenderweise steht er dabei mit dem Rücken zur Kamera, so dass unklar ist, ob oder wie sehr er sich freut. Der zweite Platz wird dabei rasch und wie zufällig mit 3.000 DM gekürt. Das fällt in den Aufgabenbereich von Vivi Bach, die zwar als Moderatorin gilt, aber nicht oft zu Wort kommt. Dieser Bogen scheint dadurch mehr ein Anlass für die Sendung zu sein als ein Spannungsbogen.

>> Wikipedia: Wünsch dir was

Samstag, Juni 07, 2008

Marketing für'n A***

Marketing mit tollen Gratis-Beigaben zum Produkt verspricht häufig großen Erfolg, doch diese Zusammenstellung grenzt an Verfassungsfeindlichkeit:

Freitag, Juni 06, 2008

Pack dein Body Bag zum Public Viewing - ein makaberes Volk

Der wilde und trendige Gebrauch von Anglizismen nimmt schon lange strange Formen an. Makaber wird es allerdings dann, wenn Hunderte zur Aufbarung der National-Elf kommen, denn nichts anderes bedeutet Public Viewing in Amerika. Um gut mit Drinks etc. gerüstet zu sein, werden einige ihr Body Bag mitbringen - ursprünglich die englische Bezeichnung für einen Leichensack. Da kann man nur hoffen, dass die Nutzer die Leiche vorher rausgenommen haben. Wie unappetitlich...

>> Siehe auch Pubic Viewing als Alternative (lechz)

Donnerstag, Mai 29, 2008

Ein Schritt ins Fernsehen der Zukunft: Zattoo

Zattoo, ein sehr interessantes Projekt aus der Schweiz, bietet IP-TV an und gehört damit weltweit zu den Pioneren. Mittlerweile stehen bereits zahlreiche Sender in unterschiedlichen Sprachen zur Verfügung. So kann der Norddeutsche jetzt auch die dritten Programme empfangen, die möglicherweise nicht in seinem Kabelnetz angeboten werden (SR, SWR, RBB etc.). Das alles in einer großartigen Qualität.

Sehr positiv fällt auf, dass die erforderliche Software für diverse Plattformen bereit steht, sogar wahlweise als .deb und .rpm.
Einziger Wermutstropfen: aus lizenzrechtlichen Gründen sind die ausländischen Sender bisher erst sehr begrenzt verfügbar. Als deutscher Nutzer bekommt man etwa Fernsehen aus winkeln Spaniens, von denen der typische Ballermann-Tourist noch nie gehört hat: Extremadura TV, und Aragón Televisión, nicht aber die UK-Programme, Schweizer Sender und andere.

Der Vorteil für den Vermarkter: im Gegensatz zum klassichen Fernsehen, das zunehmend in Schwierigkeiten der Werbeplatzvermarktung und damit der Finanzierung der Angebote bekommt, hat Zattoo die Möglichkeit der Profilerstellung - Targeting ist möglich, um Werbung zielgruppenspezifisch zu schalten.

Übrigens wird Zattoo gesprochen, wie man es schreibt, nicht wie irrtümlich angenommen englisch [sättuh]. Das Wort stammt aus dem Japanischen und bedeutet "eine große Menge Menschen".

Empfehlung: Videostream der Podiumsdiskussion mit den Gründer und Geschäftsführern von Zattoo, Axel Springer Digital TV, Kabel Deutschland, und dem Social Network Bebo (welches bereits sehr interessante Formen von Entertainment anbietet) "Fernsehen war gestern! Was ist morgen?" vom DLM-Symposium 2008.

Michael Hanekes "Funny Games" zum Zweiten

Wie schon viele europäische Filmschaffende vor ihm drehte jetzt auch Michael Haneke eine exakte zweite Version seines provokanten Werks "Funny Games", welche die gleiche Geschichte mit amerikanischen Schauspielern inszeniert.

Anders als der Originalfilm sorgt die US-Kopie mit entsprechendem Marketingbudget für großes Aufsehen. Die Plakate leisten einen Beitrag, Hanekes Intention umzusetzen. Sie sind eine Finte: sie versprechen Gewaltkonsum und liefern einen Film, der mit Gewalt nicht unterhalten sondern aufzurütteln will. Gewalt ist nicht so cool, wie Tarantino und viele andere auch es uns weismachen wollen.

Sehr fraglich ist allerdings - über zehn Jahre nach dem Erstwerk umso mehr - der Effekt in Zielgruppen, die mit medialer Gewalt sozialisiert wurden. Ist die Gewalt wirklich nicht konsumierbar? Wer ohnehin sensibel ist für Kinogewalt, wird die trockene Dramaturgie und nüchterne Inszenierung von "Funny Games" und "Bennys Video" als unerträglich und verstörend empfinden. Mit Ebenenbrüchen werden die Zuschauer selbst für die Taten verantwortlich gemacht. Das Fiktive wird ausgereizt und ins Gegenteil verkehrt (Film-Narratologen dürften in Hanekes mutigem Umgang mit den Konventionen die plakativsten Beispiele für Brüche finden, welche die Standards bestätigen und offensichtlich machen). Dennoch darf man die unterschiedlichen Rezeptionshaltungen (insbesondere in Gruppen) nicht unterschätzen. Es ist durchaus möglich Filme wie "Kids" oder "Die Passion Christi" völlig entgegen ausgedrückter Intention der Macher rezipieren. Ich möchte die These aufstellen, dass dies auch für Hanke gilt, dass seine Rechnung nicht zwangsläufig aufgeht.

>> Sehr ausführliche Darstellung: Der Umblätterer
>> Trailer:

Montag, Mai 26, 2008

Tatort: "Todesstrafe" (MDR 2008) - Folge 700

Anlässlich der 700. Folge wurde das neue Ermittlergespann in Leipzig eingeführt: Eva Saalfeld und Andreas Keppler. Das Drehbuch jedoch barg keine besonderen Überraschungen, zumal wenn der Vergleich mit der genial außergewöhnlichen 600. Folge "Scheherazade" (RB 2005) gesucht wird. Dramaturgisch sind keine nennenswerten Tricks enthalten. Die meiste Spannung bezieht der Film aus den beiden neuen Charakteren und ihrer privaten Geschichte. Einige Andeutungen über ihre verflossene Beziehung sollen in den kommenden Folgen noch weiter ausgeführt werden. Das Thema dieses Tatorts wurde vor kurzem leider auch schon in einem WDR-Tatort verarbeitet ("Verdammt") und die Aussage ist pädagogisch: vor übereilter Verurteilung wird gewarnt. Man hätte noch mehr daraus machen können.

Interessant ist, wie die Geschmäcker bezüglich Lokalkolorit und Mundart auseinandergehen: das Hamburger Abendblatt lobt angenehme "Nebeneffekte für die Ohren" - statt sächselnden Figuren höre man im Tatort-Leipzig Hochdeutsch, die TV-Movie vermisst dagegen genau die lokalen Elemente. Ich stimme der TV-Movie zu. Konvergenz bekommen wir im Fernsehen schon genug und es ist beileibe auch nicht so, dass die MDR-Tatorte sich bisher mundartlich und regionaltypisch überschlagen hätten.

Wie auch immer: zu 700 Folgen deutscher Fernsehkrimis mit immer wieder neuen Geschichten, aktuellen Thematiken und zahlreichen einmaligen und prägenden Ermittlern meinen herzlichsten Glückwunsch an die Redaktionen der ARD-Anstalten, dem ORF und - obwohl schon ausgestiegen - dem SF-DRS.

Sonntag, Mai 25, 2008

Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels (USA 2008)

Nachdem der Überlängenzuschlag entrichtet war, habe ich sogleich mental mein Sitzfleisch mobilisiert: dieser Film versprach Größe. Sehr positiv, denn wie will man seine Stunden lieber verbringen als mit der Liebsten im Kino und dem Helden seiner Jugend auf der Leinwand?

Die Enttäuschung steckt im Detail. Die kostenpflichtige Überlänge des neuen Indiana Jones beträgt geschlagene zwei Minuten. Die sind schnell abgesessen. Es bleibt unklar, welche zwei Minuten des Films es waren, aber es waren proportional die kostbarsten.

Zum Film: er ist gut, allerdings vom Gefühl her etwas flauer als die drei anderen. Die Einführung des Helden ist grandios, wenn auch nicht so pompös, wie es Bollywood hinbekommen hätte. Gewisse Elemente (um Spoiler zu vermeiden) zum Ende hin werden vermutlich zurecht kritisiert. Positiv kann ich allerdings bestätigen, dass Shia LaBoef nicht Jar Jar Binks ist (wohlgemerkt, leider auch nicht Tarzan!) - wie viele andere Blogger bereits festgestellt haben, nervt er nicht.

>> Bensite
>> Dramaking
>> Knuts Notizblog
>> Netzzeitung

>> Indiana Jones Trilogie

Samstag, Mai 24, 2008

Fotografie


... aber die fertigen Brownies haben fantastisch geschmeckt!

O.K. - Ein Schlag ins Gesicht der Rechtschreibpuristen

Kürzlich bin ich auf die Herkunft des Ausdrucks okay aufmerksam geworden. Eine malerische Geschichte: Otto Krause, Qualitätsprüfer und Träger aller deutscher Klischees, war bei den Fordwerken in Detroit derjenige, der die letzte Kontrolle jedes gerfertigten Fahrzeugs durchführte und die Qualität mit seinem Kürzel bestätigte. Wo O.K. stand, war kein Fehler mehr zu finden und sprichwörtlich alles okay.

Die Geschichte vom alten Otto fasziniert. So sehr sogar, dass er wandelnde Nachnamen hat. Eine kurze Recherche im Netz offenbart die äußerst starke Mythenbildung. Ein Argument, das der Linguist nicht kleinreden kann, liegt in den ersten Funden des Gebrauchs von O.K. im Jahr 1839 - lange vor der Zeit der Fordwerke: Keine Produkte zu kontrollieren. Die wahrscheinlichste und amtliche Theorie ist die am wenigsten schöne: okay stammt vermutlich von oll korrect, einer absichtlichen Falschschreibung als Modeerscheinung. Und dabei ist okay wahrscheinlich noch der am ehesten auch von Rechtschreibpuristen anerkannte Anglizismus. Welch Ironie...

Donnerstag, Mai 22, 2008

Ornithologisches vom NDR

Diese Beobachtungsgabe gepaart mit ornithologischem Fachwissen ist einfach genial. Daher hier für alle, die vielleicht sonst auch nicht so gern Radio hören, der Link: NDR2 Wer piept denn da?

Köstlich zum Beispiel: Der Hausmotz oder die Kuchenblimse.

Freitag, Mai 09, 2008

Tatort "Der dunkle Fleck" (WDR 2002)

„Der dunkle Fleck“ ist die Debütfolge von Hauptkommissar Thiel und Rechtsmediziner Prof. Karl-Friedrich Boerne, den Münsteraner Ermittlern. So ist die gesamte Folge durchzogen von Gesprächen, die der Figurencharakterisierung dienen. Die aufzuklärenden Morde dagegen lassen sich sehr langsam an: die ermordete Helga Müller wird zunächst nur vermisst und die zwar in der ersten Szene gefundene, aber erst spät gemeldete, Moorleiche ist schon seit über zwanzig Jahren tot.

Nach und nach werden Verbindungen zur Familie Alsfeld deutlich. In welcher Weise gehört Jennifer Müller zu dieser Familie? Wie kommt es, dass eine so hübsche junge Frau die Geliebte des Patriarchen ist? Und sollte eine Verbindung zum Tod ihrer Mutter Helga Müller bestehen?
Diese Geschichte ist insgesamt eine gute Gelegenheit für Prof. Boerne, seine Qualitäten als Rechtsmediziner unter Beweis zu stellen.

Sehr auffällig sind - auch ohne rechtsmedizinische Vorbildung - die Zeichen des Luxus. Die Familie Alsfeld residiert in einem riesigen Herrenhaus. Das Innere des massiven Hauses ist dunkel inszeniert. Durch das fahle Licht, das durch die Fenster hereinfällt, erscheint es eher zwielichtig. Die Bewohner sind überheblich, der Vater Herman Alsfeld äußert sich gegenüber Ermittler Thiel über „kleinbürgerliche Vorstellungen“. Man ordnet die Familie Alsfeld in ein wohlhabendes Milieu ein, in dem Status eine große Rolle spielt. Sie veranstalten Wohltätigkeitsveranstaltungen und halten große Stücke auf das gesellschaftliche Ansehen. Doch der Tatort wäre nicht der Tatort, wie er aus der Tradition des neuen deutschen Kriminalromans entstanden ist, wenn diese sorgsam aufgebaute Fassade gesellschaftlichen Status nicht sehr bald bröckeln würde. "Kleinbürgerliche Vorstellungen" triumphieren letztlich.

>> "Der dunkle Fleck" im Tatort-Fundus
>> Wiederholung der Folge am 11.05.08 um 20:15 Uhr im WDR

Freitag, April 04, 2008

Untraceable - Thriller 2.0

Gestern ist ein neuer Thriller in die Kinos gekommen: Untraceable. Er verbindet die Idee der nutzergenerierten Inhalte des Web 2.0 mit einer perfiden Geschichte um einen Serienkiller.

Mehrere Menschen werden entführt und nähern sich in einer Mordmaschine dem Tod, je mehr Zuschauer sich den Live-Stream auf einer anonymen Website mit unauffindbarem Host ansehen: ein Alternate Reality Game. Letztlich richtet sich der Täter direkt gegen die auf Internetverbrechen spezialisierte FBI-Agentin Jennifer Marsh.

Die Kritiken sind zum Teil wenig positiv, zu groß sei die Moralkeule, zu stark der angestrengt professionelle Einsatz von Cybervokabular. Unübersehbar schon im Trailer ist die implizierte Kritik an der Sensationsgier, denn es ist klar, je mehr sich dieser Link verbreitet, desto mehr Opfer wird es geben.

Ob es sich allerdings im Kern wirklich um Web 2.0 handelt, darf hinterfragt werden. Voting-Systeme gab es schon im herkömmlichen Netz und gelebtes Web 2.0 würde einen vollwertigen Feedbackkanal, also eine reale Möglichkeit der Mitbestimmung durch die Nutzer beinhalten. Damit wirft sich eine interessante gesellschaftliche Frage auf: wären die Opfer dadurch gerettet worden? Denkt man an pessimistische Aussagen wie in Wolfgang Menges "Millionenspiel", ist die Antwort ein klares Nein, doch wie "evil" ist die Masse der Nutzer im modernen Mitmachweb? Dies sind Fragen, die Hollywood noch in Stereotypen quetscht.

Ideen der Verquickung von nutzergenerierten Medien und Thrillererzählungen gab es übrigens schon bevor das Web 2.0 seinen Siegeszug durch die Marketingwelt der Agenturen antrat, z.B. im Tatort "1000 Tode" (SWR 2002), wo ein perverser Geschäftemacher über ein Onlineforum Kontakt zu suizidgefährdeten Jugendlichen aufnimmt, um an ihrem Tod teilzuhaben.

>> Killwithme - Die Site des Anstoßes
>> Be Croative
>> Copperlane
>> Watchthat
>> Wonderland (Product Placement)
>> Movienerd

Mittwoch, April 02, 2008

Trocken bleiben mit Silicagel

Heute erstanden: ein Fischgriller.

Interessant daran ist das kleine Päckchen, das original in dem Fischgriller lag. Richtig: es handelt sich um Trockenmittel, wie es zum Beispiel in Verpackungen von elektronischen Geräten gern beigelegt wird, um Schäden zu vermeiden. Doch was macht dieses Päckchen im Stahlfisch? Soll man es drinlassen, wenn der Fisch dazugelegt wird (Herstellung von Stockfisch)? Oder soll es den Raum trocken halten?
Leider fällt es immer wieder heraus, die Trallen des Fischgrillers sind zu weit auseinander...

Sonntag, März 02, 2008

Tatort "Das Böse" (HR 2003)

Dealer Dragan wird von einem Unbekannten vor die U-Bahn gestoßen, die drogensüchtige Prostituierte Tanja und ein Junkie werden brutal ermordet, weitere Personen erleiden seltsame Unfälle. Zunächst wird der Täter im kriminellen Milieu um Drogenhandel und Prostitution vermutet, doch irgendwie drängt sich eine andere Person in den Mittelpunkt. Bankmanager Dr. Karl Petzold (fantastisch: Ulrich Tukur) hat eine sehr mächtige Position als Entscheider, wird als impulsiv und unberechenbar gezeigt, hat Geschlechtsverkehr mit Junkies und spielt ein sexuell gefärbtes Machtspiel mit Geschäftspartnerin Lange. Vor allem hat er ein Faible für die Ermittlerin Charlotte Sänger und rückt ihr unangenehm auf die Pelle.

Der Tatort „Das Böse“ basiert auf einem Luxusproblem. Die Geschichte handelt vom Machtspiel. Menschen sind in Frankfurt klein und unbedeutend gegenüber den Gebäuden als Symbol der Wirtschaftsmaschinerie. Die Bänker fahren teure Autos, wohnen ausgefallen und teuer. Unter ihnen dominieren Erfolgsstreben und Konkurrenzkampf. Petzold demonstriert seine Macht deutlich gegenüber Untergebenen, wird aber selbst auch von seinem Vorgesetzten unter Druck gesetzt. Ähnlich verhält er sich gegenüber den Ermittlern und auch bei der Prostituierten Nina ist er gleichzeitig Täter und Opfer. Dieses zweischneidige Verhältnis aus ausgeübter und erfahrener Macht wird auch bildlich in der Perspektive umgesetzt. Das Handeln ist von Macht, Konkurrenzdenken und Emotionslosigkeit geprägt. Das ist das Böse und es ist doch nur eine Form davon.

Das Frankfurt am Main, wie es in den Sänger/Dellwo-Tatorten vorgeführt wird, lässt eines erkennen: wenn das Ende der Welt kommt, dann kommt es aus Frankfurt.

>> ARD: "Das Böse"
>> Hörbuch-Tatort "Das Böse"
>> Tatort "Frauenmorde"

Mittwoch, Februar 27, 2008

Wir dürfen uns auf Sex pur gefasst machen - Jugendschutz im deutschen Kabel

Soeben (d.h. 19:48 Uhr) auf DSF: Männer TV mit Berichten über Laufhäuser, Tabledance Clubs und Wellness für ihn. „Wir dürfen uns auf Sex pur gefasst machen“, verheißt der Kommentator, dessen Stimme im privaten TV allgegenwärtig scheint. Hier hat Mann freien Blick auf einschlägige sekundäre Geschlechtsmerkmale, von chirurgischer Handwerkskunst aufgemotzt und mit metallischem Zierrat verbrämt, nicht nur im 'Shooting mit Tillmann'.

Passend dazu 0900er-Werbung, fast wie mitten in der Nacht. Ist da das falsche Band reingerutscht? Beschränkt sich Jugendschutz im deutschen Fernsehen nur noch darauf, sicherzustellen, dass der Anschluss zum Internet nicht verpasst wird? Oder dass die Jugend nicht erst von Mama und Papa aufgeklärt wird?

Samstag, Februar 16, 2008

Gruppen bei StudiVZ - die Jackenaufnäher von heute

Communitys stoßen auf enormes Interesse in Marketingabteilungen. Dort kommen Zielgruppen zusammen und sie stehen uneingeschränkt zur Verfügung. Sie zeigen sich per Bild, geben demographische Daten an, sie teilen ihre Interessen mit und sie sind vor allem kontaktierbar.

Die Ansätze sind unterschiedlich. Allgemein Banner zu schalten, ist sicherlich der einfachste und am wenigsten vielversprechende Weg, gezieltes Advertising - basierend auf den verfügbaren Daten - ist zumindest für den Betreiber der Plattform eine gewinnbringende Alternative. Je nach Ziel bietet sich auch Aktionsmarketing an.

Ein spannendes Phänomen aus kulturtheoretischer Sicht sind die Gruppen, die man in Communitys wie StudiVZ, Facebook, Platinnetz etc. gründen kann. Ihre Mitgliederzahl reicht von einer bis über 100.000 Personen und ihre Ziele sind ganz unterschiedlich:

- Einige Gruppen haben einen reinen Marketinghintergrund und versprechen Benefits für ihre Teilnehmer.
- Weitere Gruppen haben Auswirkungen in die Realwelt - dort werden Handlungen im Offlinebereich organisiert.
- Andere Gruppen sind komplett abgeschlossene Bereiche und dienen nur der internetgestützen Pflege bestehender sozialer Kontakte ("Jahrgang XX, Schule YY").
- Die absolute Mehrzahl aller Gruppen hat allerdings einen rein semiotischen Charakter.

Die semiotischen Gruppen dienen dazu, die Anhängerschaft zu einer Musikgruppe oder einem Sportverein darzustellen, auszudrücken was man mag oder auch gerade nicht. Damit erfüllen sie den gleichen Zweck wie die Buttons oder zu vergangenen Zeiten Aufnäher auf der Jeansjacke (ein echtes Relikt und kaum noch tragbar) oder dumme Sprüche auf T-Shirts.

Offensichtlich ist es ein Bedürfnis im sozialen Miteinander (Jugendlicher), Zeichen mit hoher Evidenz zu tragen, die sogleich eine Zuordnung ermöglichen; etwa zu Milieus, wie sie in der Schulze'schen Erlebnisgesellschaft beschrieben werden ("Solange die dicke Frau noch singt, ist die Oper noch nicht zu Ende", StudiVZ, 20 Mitglieder). Um diesem Bedürfnis nachzukommen hat die Onlinekommunikation schnell die Gruppen als Mittel entdeckt. Einige Gruppen enthalten zudem virale Trigger und sind so lustig, dass nicht nur das Image der Gründer und Angehörigen steigt, sondern Gruppen gebildet werden, die nur den Zweck haben, sich über die neuesten Gruppenbildungen auszutauschen.

Einige Gruppen scheinen direkt vom T-Shirt kopiert zu sein, allein mit dem Slogan "Shit happens" existieren 89 Gruppen auf StudiVZ. Jetzt ist es an den Marketingleuten, diese Konstellation auszunutzen.

>> Studinights: die lustigsten Gruppen
>> Lillybet: lustige Gruppen

Donnerstag, Februar 07, 2008

Herzloses Land II


"Smoker's Lounge", abgetrennter Raucherbereich eines Bistros in Frankfurt am Main,
Dezember 2007

Herzloses Land I


"Buddelzone für unsere kleinen Gäste"
"Strand" bei Büsum, September 2007.

Freitag, Januar 11, 2008

Sebastian Fitzek : "Das Kind" - Lesereise Kapitel 3

Willkommen an der dritten Station der virtuellen Lesereise zum Psychothriller "Das Kind". Wir wünschen Spannung und gute Unterhaltung.



>> Weiter geht's mit Kapitel 4 am 14.01.08 beim ARG-Reporter
>> Kapitel 2 im Krimiblog
>> Kapitel 1 bei Berlinkriminell




>> Buch bei Amazon
>> Hörbuch bei Amazon
>> Rezension

Montag, Januar 07, 2008

Virtuelle Lesereise: "Das Kind" von Sebastian Fitzek

Am Freitag, 11.01.2008 wird das dramaturgische Kontor zur dritten Station von Sebastian Fitzeks virtueller Lesereise durch die Blogosphäre:


>> Lesereise Kapitel 3
>> Rezension

Sebastian Fitzek: "Das Kind" (Psychothriller 2008)

Als ich vor einigen Wochen eine Einladung zum Kindergeburtstag erhielt, wusste ich noch nicht, dass ich bald danach ein grandioses Manuskript von einem Autor lesen würde, von dem ich vorher noch nie gehört hatte, und die schwarzen Bretter in Supermärkten fortan mit ganz anderen Augen betrachten sollte - doch manchmal steht der Anfang erst am Ende einer Erzählung.

Das Kind

Simon Sachs ist eigentlich ein normaler, netter, aufgeweckter Junge, der kürzlich seinen zehnten Geburtstag gefeiert hat. Nur hat er einen lebensbedrohlichen obwohl "gutartigen" Tumor und Erinnerungen an ein früheres Leben. Ein Leben in dem er offenbar Menschen ermordet hat. Da er mit dieser Schuld nicht leben möchte, nimmt er sich einen Anwalt, der die ominösen Morde von vor zwölf Jahren aufklären soll. Robert Stern, für den es seit einem Schicksalsschlag vor etwa zehn Jahren nichts anderes gegeben hat als seinen Beruf als Strafverteidiger, wird von Simon an dunkle Orte aus einer Halbwelt geführt, die er bisher nur durch den schützenden Filter aus Paragraphen gesehen hat, Orte an denen allenfalls seine Mandanten verkehrten. Dort liegen die Leichen von Menschen, die niemand ernsthaft vermisst. Mit den bereits vergessenen Toten erwacht eine fesselnde Geschichte um abscheuliche Menschen und ihre Taten. Eine Geschichte, in der einer dieser Menschen alle Fäden zieht.

Sebastian Fitzeks Thriller ist dramaturgisch absolut formvollendet. Ein dichtes Geflecht aus Spannung, Neugier, Entsetzen und zahlreichen überraschenden Wendungen lässt den Leser die Geschichte mit zuweilen unangenehm stinkender Thematik (Kinderschänder) geradezu einatmen. Die Figuren sind meisterlich gestaltet und geraten von einer Grenzsituation in die nächste, so dass ein emotionales Spiel mit der Spannung bis zur letzten Minute gesichert bleibt. Der Stoff ist offensichtlich gut recherchiert, auch wenn man nicht bis ins Detail wissen möchte unter welchen Bedingungen. Und auch wenn man kurz vor Ende der Erzählung schon nicht mehr daran glauben möchte, werden schließlich tatsächlich alle Stränge gelöst und alle Fragen geklärt.

Etwas gewöhnungsbedürftig ist möglicherweise der Stil mit stellenweise etwas weit hergeholten Bildern - doch auch hier leistet die dichte Erzählung gute Arbeit und lässt einen spätestens nach 60 Seiten locker drüber hinweg lesen.

Erwähnenswert ist noch das Marketing zu diesem Buch, für das ein ARG ausprobiert wurde - wenn diese verdammten Spiele nicht so viel Zeit beanspruchen würden, hätte es im Kontor noch mehr gegeben, als dümmliche Mutmaßungen und ein selbstgemaltes Bild, das eigentlich für jemand anderen bestimmt war. Aber genau so sollten diese Spiele wohl aussehen: spannend, mysteriös und zum Produkt passend. Näheres unter http://www.push11.com/

Das Kind erscheint am Donnerstag, 10.01.2008. >> Virtuelle Lesereise

Buch bei Amazon



Hörbuch bei Amazon