Sonntag, Oktober 15, 2006

Nachlese: Philipp Retingshof

Jetzt ist es schon seit einem guten Monat vorbei, das ARG um die Hauptfigur Philipp Retingshof, welches im August mit der Nachricht vom Tod der Helena Stavros begann. Wie sich herausgestellt hat, handelte es sich um ein kommerzielles Projekt zur Promotion der neuen Enigma CD. Dass es kommerziell war, ist vielen sauer aufgestoßen, doch man kann nur immer wieder betonen, dass hier eine Menge Ressourcen gebunden wurden und die gibt es einfach nicht umsonst. Es wurden Homepages angemeldet und gestaltet, es wurden Events organisiert und an mehreren Orten Dinge versteckt und es wurde mächtig gebloggt. Das alles kostet Geld und wem an solchen Spielen gelegen ist, freut sich, dass es jemand bezahlen mag, statt sich darüber zu beschweren. Die alte Leier: wer einen spannenden Hollywood-Film quasi-kostenlos auf RTL sehen will, muss sich auch durch 30 Minuten Werbung quälen.

Doch was ist das Ergebnis dieses Spiels, an dem angeblich 2 Millionen Menschen teilhatten?
- Zwei Millionen haben angeblich zugesehen, aber kaum ein Hundertstel Promille von diesen Massen hat mitgespielt oder Kommentare geschrieben. Zeitweise schienen sich nicht einmal genügend Mitspieler zu finden, um das Spiel voranzutreiben.
- Die Rätsel waren offensichtlich zu schwer und zu zeitaufwändig. Man konnte nicht mal eben so nebenbei spielen, weil allein das Lesen schon zu viel Zeit gekostet hat. Die Zeit zum Herumrätseln haben nur die allerwenigsten aufgebracht. Dabei war das Spiel allerdings sehr zielgruppengerecht. Wer Enigma mag, so möchte man meinen, rätselt gern und hat Spaß an mystischen Geschichten. Populär war das jedoch nicht.
- Man möchte meinen, dass so viel Blogglärm und Verlinkung von prominenten Seiten ein sehr gutes SEO bewirkt und die Seite in Suchmaschinen gut platziert, aber ein einfacher Page-Rank-Check zeigt für Philipp Retingshof einen Rank von Null.
- Obwohl AOL eine eigene Themenseite dafür eingerichtet hat, kam das Spiel nicht richtig in die Gänge.
- Aber vor allem - und da rollen sich jedem Dramaturgen die Fußnägel hoch - hatte die Geschichte kein Ende. Das Spiel brach nach einem Showdown-Minievent einfach ab. Wer es verpasste, hatte das Nachsehen, Philipp Retingshof wurde nach seinem Verschwinden in eine andere Welt (wahrscheinlich lauschte er andächtig Cretus Musik...) zwar angeblich durch eine Aktion der Handvoll Mitspieler zurück geholt, einige behaupten, ein Bier mit ihm getrunken zu haben, das offenbar so schal war wie das ganze Ende des Spiels. Danach war er weg. Bloggt nicht mehr, hat die Schnautze voll. Ob sich dieses Experiment für Cretu gelohnt hat, bleibt zu bezweifeln, eine Numerologie-Tour durch die Hörsäle der Nation hätte sich vielleicht eher gelohnt.
- War das jetzt eigentlich alles? Offensichtlich ja.

Den Germanisten juckt es jetzt in den Fingern, die Erzählsituation des ARGs zu betrachten...
To be continued

Sonntag, Oktober 08, 2006

Jürgen Vogel und Daniel Brühl in "Ein Freund von mir"

"Ein Freund von mir" ist die ruhige, witzige Geschichte des genialen, aber introvertierten Versicherungsmathematikers Karl und des unbeirrbar fröhlichen und offenen Lebenskünstlers Hans. Beide heuern bei einem Autovermieter an, Karl soll die Wahrscheinlichkeit prüfen, mit der dort ein Schadensfall eintritt, Hans erfüllt sich dort den Traum, tolle Autos zu fahren und damit sogar Geld zu verdienen. Dann ist da noch Stelle, Hans' "Königin". Hans und Karl sind grundverschieden und sie werden Freunde ... oder nicht?

Die Geschichte ist unter der Regie von Sebastian Schippel wunderbar erzählt. Ohne unnütze Dialoge oder umständliche Sequenzen lassen die Macher dieses Films Bilder sprechen. Die schönsten und aussagekräftigsten Momente sind hier gerade die angedeuteten, nicht gezeigten: genau darin besteht die große Kunst. Brühl und Vogel (von den anderen ganz zu schweigen) spielen einfach grandios. Zum Vergleich: Ulmen in "Elementarteilchen" ist auch ein introvertierter Wissenschaftler auf der Suche nach seinem Lebensglück, doch Brühl gelingt es, diesen Charakter noch hintergründiger und ehrlicher zu verkörpern. Dieser Film ist an keiner Stelle billig oder oberflächlich, wie man es bei einem Plot "Lebemann zeigt schüchternem Pflichtbewussten die schöne Welt" unterstellen könnte.

Um auf den Vergleich mit "Elementarteilchen" zurückzukommen: auch das ist ein guter Film, allerdings mit einer ganz anderen Konsequenz als "Ein Freund von mir". Hans (Jürgen Vogel) schafft es, auf seine eigene Weise, das ganze Publikum mit seiner Art anzustecken.
Eine dicke Empfehlung für alle Fans des deutschen Kinos.

(Gesehen als Premiere auf dem Hamburger Filmfest am 5.10.06 - Foto: Atmosphäre am roten Teppich)

>> Absolute Giganten (Regie: Sebastian Schipper)
>> Kommentar zum Film auf elfzehn84
>> Filmfest Hamburg

Montag, Oktober 02, 2006

Strato: große Preiserhöhungen klein gedruckt

Soeben schreibt mir mein E-Mail-Provider Strato, welcher mir auch den wunderschönen Link zu meinem bescheidenen dramaturgischen Kontor zur Verfügung stellt: Tolle Neuerungen stehen an, alles ist super und wird noch besser und mir wird die große Ehre zuteil, dabei zu sein. In mächtigen Lettern verkündet Strato: "Noch mehr Inklusiv-Leistung für Ihr STRATO Webhosting Komplett-Paket - Visitenkarte A !". In der fast komplett inhaltsfreien Mail steht dann noch etwas Selbstbeweihräucherung und dann gibt es einen Anhang. In diesem Anhang sehe ich dann, dass der Speicher meiner Seite - den ich gar nicht nutze, weil dort nur ein schäbiger Baukasten mit Einheitsseiten zur Verfügung steht - verdoppelt wird, außerdem könnte ich statt 10 jetzt 20 Postfächer belegen (aus reiner Spielfreude nutze ich davon fünf). Dann wird noch der Traffic geringfügig erhöht und die DNS-Einstellung freigegeben. Also nur wenig Nutzen für mich.

Die tollste Neuerung steht ganz unten und ist nicht hervorgehoben: der Spaß kostet nicht mehr 0,69, sondern 0,99 EUR pro Monat. Das sind Centbeträge, und wer bei Centbeträgen meckert, ist ein alter Geizhals. Aber es ist verdammtnochmal eine Preiserhöhung von satten 43 %. Wer mich jetzt einen alten Geizhals schimpft, soll mal versuchen, solch eine Marge bei seinem Chef als Lohnerhöhung rauszukitzeln und das Ergebnis hier als Kommentar veröffentlichen. Bisher war ich Strato-Fan, aber wenn sie die Preise schon dermaßen erhöhen müssen, warum können sie das dann nicht einmal ehrlich sagen?

Edit 05.10.06: Auf meine Anfrage, ob ich nicht mit den alten Konditionen beim alten Preis bleiben könnte, kam folgende Antwort:

"Mit unseren neuen, innovativen Zusatzleistungen entsprechen wir den gewachsenen Anforderungen unserer anspruchsvollen Kunden. Ihnen, als treuen Partner haben wir einmalig eine Gutschrift plus Dankeschön im Wert von 5 EUR bei Aufrechterhaltung des Vertrages erfasst.

Wir wünschen Ihnen einen schönen Tag.

Wir freuen uns, dass Sie unserem anspruchsvollen Service vertrauen."

Tja ... danke, Strato.