Mittwoch, Juni 28, 2006

Tatort: „Frauenmorde“ (HR 2003) - Teil: I

Ingeborg Karp wird zunächst von ihrer Familie vermisst, dann wird ein weiblicher Torso gefunden, der schnell als Ingeborg identifiziert wird. BKA und FBI schalten sich in den Fall ein. Offenbar handelt es sich um die Tat eines international gesuchten Serienmörders. Dem Thema Serienmord entsprechend enthält dieser Tatort einen auffälligen dramaturgischen Bogen, der sich sehr weit erstreckt und Neugier mit Spannung kombiniert: Mit der Einblendung des Displays einer Videokamera wird die Anwesenheit eines heimlichen Beobachters suggeriert. Dazu kommen die Szenen, in denen der Geländewagen auftaucht, der offensichtlich dem Unbekannten gehört. Dieser Bogen erzeugt Spannung aus einer sichtbaren, aber unbekannten und von der Polizei unbemerkten Bedrohung. Ein solcher dramaturgischer Bogen wird vielfach Thrillern verwendet, um Angst zu erzeugen.

Wie sich schließlich herausstellt, handelt es sich bei dem heimlichen Videofilmer tatsächlich um den Serienmörder, der als Steward die ganze Welt bereiste und in verschiedenen Ländern in Flughafennähe Frauen nach dem selben Muster umbrachte. Durch die fortwährenden Bilder der Videokamera und des Geländewagens ist dieser Mann der Hauptbezugspunkt aller Verdächtigungen und Mutmaßungen seiner Identität. Ist er einer der Ehemänner der Ermordeten: Karp und Richter, oder der offensichtlich geistesgestörte Mann, der Sänger die Handtasche klaut und so den Schauplatz Frankfurt am Main als verkommenes Pflaster hinstellt? Der Handtaschendiebstahl steht allerdings in keinerlei Bezug zu den Mordfällen. Der Bezug, der hier gewiss hergestellt werden kann, ist eine Finte. Dieser Handlungsstrang verliert sich in der Geschichte: die Tasche wird nicht wiedergefunden. Und auch die Ehemänner scheiden aus: Richter hat ein schnell geprüftes sicheres Alibi und Karp kann selbst nicht der Serienmörder sein, weil er vom Unbekannten gefilmt wird.

Der Täter nahm über einen Internet-Chat Kontakt zu seinen Opfern Ingeborg Karp und Kati Richter auf. Er verabredet sich mit ihnen in einem anonym organisierten Motel zu Blind Dates mit sadomasochistischen Sexspielen. Sowohl Kati als auch Ingeborg hatten offensichtlich schon vorher Bezug zu dieser Form der Sexualität, wie die in ihren Häusern gefundenen Requisiten zeigen. Man nutzt die Anonymität des Internets und des Motels. Die anonyme Atmosphäre erst ermöglicht die sexuell motivierten Blind Dates und macht es dem Serientäter einfach, unerkannt zu morden. Dellwo nennt das Motel: „de[n] perfekten Ort für den perfekten Mord“. Die große Gefahr darin wird u.a. dadurch demonstriert, wie sich Karps Tochter Greta locker im betreffenden Internet-Chat bewegt.

(Fortsetzung folgt)

Weitere Blogbeiträge, welche das Thema Sadomasochismus aus anderen Perspektiven beleuchten:
>> Dave Gordan über Sado-Maso-Schrott
>> JPhoenix über den entsprechenden Stupidedia-Artikel

Montag, Juni 26, 2006

Multimedium Wasser: Die Wasserspiele auf Hamburgs Binnen-Alster (25.6.06)


Die Wasserspiele auf der Alster vereinen Fontainen, buntes Licht, Laser, Videoprojektionen auf Wasserleinwand (Hydroschild) und Musik. Die optische Darbietung schleppt der Musik leicht hinterher, was dadurch etwas verwässert wird, dass die musikalische Dramaturgie ohnehin nicht sichtbar umgesetzt wird. Die Mitwirkung eines Choreografen hätte evtl. noch einiges retten können. Die Laser, offenbar als Höhepunkteffekt eingeplant, erweisen sich einmal wieder als aus der Mode gekommen, weshalb sie auch aus den Multiplexkinos inzwischen weitgehend wieder verbannt wurden. Die Technik der Videoprojektion scheint eine gute Idee, ist aber alles andere als ausgereift (oder war es nur zu windig?). Die Auswahl der Spots unterstützt zudem nur den Eindruck der Langeweile. Nass und bunt.

Wer sich gern in Hamburg ein ästhetisches und liebevoll konzipiertes Wasserlichtspektakel ansehen möchte, dem sei wärmstens empfohlen, noch einige Schritte weiter zu Planten un Blomen zu gehen. Computersteuerung kann eben doch noch keine manuelle Arbeit ersetzen. Ansonsten bleibt für einen netten Abend auch noch, eine schöne Kamin-DVD einzulegen. Die Wasserlichtspiele auf der Alster passen jedenfalls zu den "Blue Goals", die Hamburg glücklicherweise auch nicht mehr allzu lange erhalten bleiben. Immehin weiß jetzt alle Welt, dass Hamburg "se gohl to se wörld" ist.

>> Das Hamburger Abendblatt dazu

Sonntag, Juni 25, 2006

Irrlicht: "Einladung zum Hexenclub, doch Eleanor Taylor bricht die Regeln"

Ein Roman von Ira Korona erschienen im Martin Kelter Verlag. Der Anfang hat Witz: Man beobachtet den Hexenmeister und Hohepriester bei seinen Vorkehrungen zum gemeinsamen Treffen. Er ist ein offensichtlicher Hochstapler, der vor allem Spaß an den leicht bekleideten Körpern der enthemmten Damen hat, die als Hexen einmal im Monat aus ihrem alltäglichen Leben ausbrechen wollen. Allen ist gemein, dass sie unglücklich sind, weil ihnen irgendetwas fehlt, vor allem Partnerschaft, Liebe, gegenseitige Achtung und Unterstützung. Besonders "Hohepriester" Denis und "Hexe"Eleanor wünschen sich einen Partner - sogar einander, wie sich herausstellt - doch so einfach dürfen sie zueinander nicht kommen, dabei stehen sie sich selbst im Wege. Eleanor tauscht den falschen Stein aus Denis' Show gegen ein wirkliches magisches Amulett aus und ruft damit tatsächlich den Teufel auf den Plan, der jeder der Damen ihren geheimsten Wunsch erfüllt - leichte Missverständnisse und unangenehme Überreaktionen inbegriffen. Das Leid ist jedenfalls groß.

Denis', inzwischen mit Ziegenkopf, ruft Expertin Brenda Logan zu Hilfe. Natürlich kann sie den Zauber zerstören, aber dies auch nur weil sie alle Werte, an denen es den Hexen mangelt, vertritt und in einer romantisch erfüllten Beziehung lebt.
Ihr geheimster Wunsch ist also nichts Banales, wie einen fremden Mann auf der Straße aufzulesen, mit Hexengebräu abzufüllen und zu vernaschen. Mit der Erfüllung von Brenda Logans geheimsten Wunsch manövriert sich der Fürst der Finsternis selbst ins Abseits und alles wird wieder gut. Die Unzufriedenen haben ihre Lektion gelernt: wer freundlich und hilfsbereit ist, findet einen netten Partner zum Liebhaben und nur das führt zum wahren Glück. Selbst die weiße Hexe Magda Elwood ist da im Unrecht: sie blieb ihr Leben lang einsam und trägt schließlich auch selbst dazu bei, dass Satan sich manifestieren kann.

Spannung wird einfach, aber wirksam durch eine Parallelführung der Stränge erreicht. Die letztlich etwas konservative Aussage (die sich auch in der alten Rechschreibung formal wiederfindet) tut dem Witz und dem wohligen Gefühl, dem Guten beim Siegen zuzusehen, keinen Abbruch. Für den ganz eingenen Stil dieser Werke muss man sich allerdings schon etwas begeistern können.

Donnerstag, Juni 22, 2006

Anheuser zieht den holländischen Fans die Hosen runter, und nun?

Durch eine ungeschickte Aktion von Bullshit-Marketing der Anheuser-Busch-Brauerei (Ambush-Marketing), standen zahlreiche Fans der holländischen Mannschaft unten ohne da, als sie in Stuttgart das Spiel gegen die Elfenbeinküste sehen wollten. Sie trugen orangene Hosen mit Anheuser-Aufdruck, was die FIFA nicht dulden wollte. Die Folge ist weiteres Futter für die BudOut-Seite.

Was hätten andere Brauereien nur dafür gegeben, vorher von der Aktion gewusst zu haben ... sie hätten so schön Ersatzhosen ohne Aufdruck im Tausch gegen die bösen Anheuserhosen verteilen können und so eine Menge guten 'Buzz' für sich erzeugt.

Wie kann die Brauerei jetzt ihre Reputation noch retten? Ich vermute, die einzig mögliche Aktion, wäre für das Management, jetzt ebenfalls die Hosen runter zu lassen und sich öffentlich bei allen zu entschuldigen. Das Vorgehen der FIFA steht auf noch einem anderen Blatt...

>> Site-9 über die Marketingaktion mit Bumerang-Effekt
>> Guerilla-Marketing-Blog

>> Freibierspenden der Brauerei für diesen Gratis-Tipp erbeten ;-)

Mittwoch, Juni 21, 2006

Dem Täter auf der Spur: "Der Tod in der Maske" (1972)

Von 1967 - 1973 strahlte der NDR Samstagabends die unter der Regie von Jürgen Rolad entstandenen Folgen von "Dem Täter auf der Spur" aus. Moderiert von Jürgen Roland selbst waren diese Krimis als Minispielshow für ein Studiopublikum, Fernsehpublikum und drei Prominente konzipiert. Zu Beginn gab Roland einen kleinen Hinweis, worauf man besonders achten könnte und kurz vor der Auflösung wurde der Film angehalten, damit die Prominenten einen Tipp abgeben und Roland noch einmal alle Verdächtigen zusammenfassen konnte.

Die Krimis waren komplett mit deutschen Schauspielern und vorwiegend im Studio Hamburg entstanden, aber trotzdem in Paris angesiedelt, was oft sehr absurde Effekte erzeugte.

"Der Tod in der Maske" handelt vom Pariser Galeristen Roland, der durch eine Sabotage bei der vorzeitigen Angefertigung seiner Totenmaske erstickt. Verdächtig sind die Künstler um ihn herum und die Opfer seiner Vergangenheit: Roland war maßgeblich an der Vermarktung eines Schlafmittels mit tödlichen Nebenwirkungen beteiligt, weshalb er Drohbriefe bekam. Jürgen Rolands Tipp, besonders auf optische Hinweise zu achten, erweist sich letzlich als Schlüssel zum Fall. Doch der optische Hinweis kommt mit dem Holzhammer daher und wird so offensichtlich inszeniert, dass es für heutige Krimizuschauer schon wieder unmöglich erscheint. Indizien und Motiv sprechen so auffällig gegen den Täter, dass jeder heutige Krimifan ihn als Verdächtigen ausgeschlossen und auf die Überraschung gewartet hätte. Die Ermittler Bernard und Janot erscheinen geradezu dumm, weil sie diese offensichtlichsten Hinweise übersehen und so die Geschichte eigentlich unnötig verlängern. Solch offensichtliche Hinweise dürfen Krimi-Ermittler (zumindest in Zeiten der Konkurrenz vom CSI) nicht übersehen.

Zum Einsatz kommt das Stilmittel der dramatischen Ironie (vgl. Manfred Pfister 1988: Das Drama. München 1988, S. 87): erstens, dass Roland tatsächlich bei der Herstellung seiner Totenmaske (angeblich im Paris der 70er in Mode) stirbt und zweitens, dass Alain statt Odette die verkleidete Katherine, seine Geliebte, tötet. Außerdem - und das ist typisch für die Serie - die Metalepse (vgl. Gérard Genette: Die Erzählung. München 1994, S. 167ff.). Kommisar Bernard wendet sich an das Fernsehpublikum und rät, alte Tüschlösser auszutauschen. Das hat einen witzigen Effekt und es rückt den Kriminalfilm in Richtung der Spielshow. Nicht nur Jürgen Roland als Moderator wendet sich direkt an sein Publikum, sondern auch die fiktiven Figuren aus der metadiegetischen Geschichte (ebd. S. 165ff.) vermögen dies zu tun. Damit verleihen sie dem Gesamtwerk den Charakter der Spielshow (um so seltsamer erscheint es nun, dass weitere typische Elemente von Spielshows fehlen, es gibt nichts zu gewinnen, niemand konkurriert). Vermutlich hätte diese Metalepse im Kinodispositiv eine sehr viel befremdendere Wirkung als im Fernsehen zur Sendezeit am Samstagabend, einem Programmplatz für Unterhaltungssendungen.

>> Vgl. Brück, Ingrid, Andrea Guder, Reinhold Viehoff, Karin Wehn: Der deutsche Fernsehkrimi. Stuttgart, Weimar 2003, S. 132-133.
>> Serienlexikon der Universität Halle-Wittenberg, Fachbereich Medienkommunikation

Sonntag, Juni 18, 2006

Warum ist Svens WM-Wette viral?

Warum ist Firstloads (bzw. 'Svens') Plan so gut aufgegangen und hat eine derart große Kommunikationswelle ausgelöst, dass Massen von Menschen diesen Link weitertratschten oder ihre kritisch getünchten me-too Seiten online brachten?

Zunächst war die Originalseite - trotz des einfachen Bauprinzips und der angebrochenen Milkatafel im Bild - mit Unwahrscheinlichkeiten nur so gespickt: wer hat schon Karten fürs Endspiel und wie groß ist schon die Möglichkeit bei erhöhter Security dort noch zu flitzen (gut, oft genug hat es geklappt). Dass die Domain nicht unter einem echten Sven Meier, Müller, Schulze angemeldet war, ist nur wahrscheinlich, denn der hätte sicherlich auch Schneckenpost oder gar Besuch bekommen. Was Domains-by-Proxy kosten weiß ich nicht, aber schon die Layer-Adds sollten den break even eingespielt haben. Die Bilder waren offensichtlich geklaut. Credibility ist in diesem Fall überhaupt kein Thema, dem Interesse hat das alles offensichtlich keinen ausreichenden Abbruch getan: Spaßvögel haben den Link verbeitet, ICQ-Accounts gespamt und die Off-Topic-Bereiche von Foren bereichert; Neider haben ihre Antiseiten daneben gestellt, aber letzten Endes haben alle "Buzz" erzeugt und so die Klickzahlen in die Höhe getrieben. Sie haben mitgespielt.

Was war also der Anreiz? Das Voyeueristische stand sicher nicht im Vordergrund. Nacktbilder gibt es im Web an jeder Ecke und Svens Pornomodell , das eine Homepage hat, welche weit mehr Einblicke gibt, als es bei 'Sven' je gegeben hätte, wurde offenbar auch schon erkannt. Was diese Wette allerdings bereitstellt, ist eine Entschuldigung, sich diese Bilder anzusehen. Der Chef hat sicherlich auch den Link bekommen und die Freundin, Frau, Verlobte kann auch nichts wirklich dagegen haben, denn das Mädel ist ja selbst schuld, eine solche Wette einzugehen. Durch die angebliche Wette hat die Aktion Spielcharakter. Jeder ist zum Mitspielen eingeladen und die Teilnahme ist mit keinerlei Aufwand verbunden. Der versprochene Gewinn ist ein Gewinn für alle. Natürlich sind die Adressaten (vornehmlich) Männer, aber davon haben genügend mitgespielt (auch die Neider und Kritiker, denn schlechte Publicity ist hier besser als gar keine). 'Sven' ist zu einer Identifikationsfigur geworden, man neidete ihm die Wette (wer's glaubt) oder die Idee für gute Werbeeinnahmen (wer's glaubte durchschaut zu haben).

>> Billiges Viralmarketing mit großer Wirkung

Donnerstag, Juni 15, 2006

Svens WM-Wette: billiges Viralmarketing mit großer Wirkung

Wahrscheinlich haben die meisten (wie ich heute auch) inzwischen von irgendeinem Bekannten den Link von der Wette eines jungen Burschen bekommen, dessen gute Freundin gern nackig im Internet erscheinen und sogar übers Endspielfeld flitzen wollte, sollten denn 5 Mio. Klicks auf seiner Homepage zusammenkommen. Knapp drei Milionen hatte Sven schon, seine Freundin trug bereits einen String. Der Link machte die Runde in beinahe jedem Forum im Offtopic-Bereich. Und für Sven hat es sich schon an Werbeeinnahmen gelohnt. Die Domain war natürlich über einen großen Domain-Stellvertreterservice in Arizona reserviert.

Jetzt wird man von diesem Link direkt zu Firstload geleitet: Hat "Sven" verkauft oder war das von langer Hand geplant? Wie sonst kann man seinen Traffic in so kurzer Zeit erhöhen und seine Links populär machen? (Pagerank war wegen der kurzen Vorlaufzeit allerdings immer noch 0.) Die Seite war jedenfalls so auffällig schlecht und billig zusammengebastelt - in Zeiten von einfachsten Open-Source-Webdesignsystemen - dass es gewollt und als Teil einer (Marketing-)Strategie erscheint.

Das Internet hält Kommunikationsinstrumente bereit, die immer mehr strategisch für die Unternehmenskommunikation genutzt werden. Und immer häufiger im Gewand eines einfachen jungen Burschen, der eine Freundin nackig wettet... Hauptsache die Leute tragen es weiter und erzählen es rum.

>> Svens WM-Wette
>> Weblog der Sven-Sucher ("Hör auf mit dem Scheiß")
>> DonAlphonso über 'Sven'
>> Einführung virales Marketing

>> Warum ist Svens WM-Wette viral?

Der Kommissar: "Im Jagdhaus" (ZDF 1974)

Die ZDF-Serie "Der Kommissar" begann 1969 und gab der ARD nicht zuletzt den Impuls mit einer eigenen großangelegten Kriminalreihe zu kontern, woraus dann der Tatort entstand (vgl. Wenzel 2000: 26 ff.).

Obwohl nur spärlich wiederholt, ist "Der Kommissar" noch immer ein Krimigenuss, der zum einen aus dem Einblick in die Welt vor dreißig Jahren zum anderen aus einer soliden Dramaturgie und guten GEschichten entsteht. Wer sich von Schwarzweißbildern und sehr ähnlichen Titeln wie "Tod eines Buchhändlers", "Tod eines Landstreichers", ... "eines Hippiemädchens" nicht abschrecken lässt, hat die Chance, jüngere Versionen alter Bekannter wie Götz George oder Uschi Glas zu treffen. Außerdem beginnt beim "Kommissar" die Karriere des Harry Klein, bevor er bei Oberinspektor Derrick "den Wagen holt".

Im Jagdhaus wird der unbeliebte Unternehmer Paul Schenk erschossen. Er ging mit der eigenen Schwägerin fremd, brachte dadurch die Nichten gegen sich auf, schikanierte angeblich Angestellte und war auch seinem Bruder nicht grün. Alle im Jagdhaus Anwesenden (die Familie und Buchhalter Barek) haben Motive, keiner von ihnen hat ein wirkliches Alibi, außer dem vom jeweils anderen. Besondere Panik unter diesem Verdacht bekommt Nichte Helga und beschließt, allen Verdacht auf den armen Buchhalter zu lenken. Wie in der Magie: kommt der Fluch des gelenkten Verdachtes mit doppelter Kraft auf sie zurück. Und genau darin liegt trotz einer relativ einfachen Geschichte der besondere Reiz dieser Folge.

Montag, Juni 12, 2006

Tatort: "Sternenkinder" (NDR 2006)

Dass dieser Borowski-Tatort eine Hommage an die Satirezeitschrift Titanik enthält und dramaturgisch in zwei verknüpfte Halbbögen aufgeteilt wurde, ist kein Geheimnis mehr. Ob diese Verkürzung der Spannung einer immer geringer werdenden Konzentrationsfähigkeit Rechnung trägt, die durch die kürzere Formen wie Soap-Operas etc. konditioniert wird, wäre noch zu erörtern.

Jedenfalls wird hier gezeigt, dass die bewährten Tricks immer noch am besten funktionieren. Ein Höhepunkt wird in der Sequenz in Parallelmontage erreicht, wo die Polizsten eine unbescholtene Frau unter der Dusche überraschen (das Geschrei ist groß) und gleichzeitig die geistesgestörte Kindesentführerin Liane ihren Postboten an der Tür mit einem Messer überrascht. Das dramaturgische Vorgehen ist das gleiche wie in Tarantinos CSI-Folge, wo die Ermittler denken, ihren Kollegen auszgraben, obwohl an dieser Stelle nur der Hund begraben ist, während besagter Kollege nicht die Retter antrifft, sondern bösartige Insekten als sein Schneewittchensarg birst. Ein Spannungshöhepunkt ist an diesen Stellen garantiert. Zudem kommen zumindest im Tatort Zweifel an der Täterschaft Lianes auf, denn warum sonst sollte sie so früh gefasst werden?. Nur zu oft sollte man so etwas wohl auch nicht versuchen.

Samstag, Juni 10, 2006

Ein Aufspringen auf einen Trend: der Merkel-Vodcast

Von allen Seiten hört man in diesen Tagen vom neuen Merkel-Vodcast, so z.B. beim PR-Blogger. Weil momentan alle bloggen oder podcasten, muss auch deutschlands Kanzlerin ran.

Was dabei allerdings schnell in Vergessenheit gerät, ist, dass es sich dabei um ein gänzlich epigonales Unterfangen handelt. Der Podcast über das Schicksal der Kanzlerin ist schon seit längerem beim NDR zu bekommen.

>> Bundeskanzlerin:
Video-Podcast der Kanzlerin ist online
>> PR-Blogger: Merkel-Vodcast am Start

>> NDR2: Angela - Schicksalsjahre einer Kanzlerin

Die süßesten Früchte

Gesehen im Winterhuder Fährhaus

Ein eher durchwachsenes Stück über vier unglückliche Mittdreißiger mit viel Geschrei und bösen Worten, die letzten Endes nicht hätten sein müssen. Die Aussage des Stücks, welche schließlich ein bescheidenes Glück herstellt, ist genau genommen eine reichlich konservative.

Interessant ist die Rezeption: die stärkste Gruppe der Zuschauer waren am Sonnabend in der 15:30 Vorstellung die über 70-Jährigen und aus dem Gästebuch im Foyer sprachen diese auch gleich Bände. Von "zum Abgewöhnen", "in der Pause gegangen"oder "lieber das schöne Wetter genießen" bis "zum Ende durchgehalten" tönte dort der Unmut. Diese Generation konnte die dargestellte Unzufriedenheit der Generation Golf gar nicht nachvollziehen und war entsprechend enttäuscht. Bleibt also die Hoffnung, dass auch die Jüngeren frühzeitig aus den Fehlern dieser Mittdreißiger lernen und einen Weg zwischen gänzlich infantilem Rittertum und oberspießigen Olivenschiffchen finden. Vielleicht kann eine aufmerksame Lektüre der Bücher von Barbara und Allan Pease noch einiges retten. Der Autor hat diese Lektüre offensichtlich intensiv genossen.

Freitag, Juni 09, 2006

CSI: Grabesstille - die Tarantino-Folge (...verspätet gesehen)

Eine sehr spannende CSI-Folge und doch genau das, was man als CSI- oder Tarantinofan erwarten mochte: Tarantino-typische Dialoge, wie sie Ermittler im Büro führen, sowohl Genrezitate (Gil Grissom als weißer Cowboy bei der Lösegeldübergabe) als auch selbstzitate (wenn Beatrix Kiddo auch noch viel wirksamere Tricks auf Lager hatte als die Ermittler), viele kleine Feinheiten und andererseits auch die Elemente der Serie: Gedärm, abgetrennte Gliedmaßen, seltsam-spacige Flashbacks und Gedankensequenzen und sehr liebevoll berücksichtigte Biographien (insbesondere was Gil angeht). Allerdings hat es sich der große Meister offenbar nicht nehmen lassen, auch die CSI-typischen Gedankensequenzen ironisch aufs Korn zu nehmen: in der schwarz-weißen Obduktionsszene, als Nick langsam die Lebensgeister entschwinden sieht.

Die Spannung ist über den ganzen Film hinweg perfekt und mit gekonnter Hand stellenweise wirklich reißend. Absolut sehenswert, nicht nur für CSI- oder Tarantinofans! Was am Ende bleibt ist ein bitteres Mitgefühl für die Unschuldigen.

Interessant und möglicherweise eine Neuerung im Fernsehen ist die unerhörte Begebenheit, die einfach nur im Sande verläuft (wer den Film noch nicht gesehen hat, lieber nicht weiterlesen): die brutal mit einem Dumdum-Geschoss ermordeten eineiigen Zwillinge mussten ihr Leben lassen, nur um die Anfangsszene etwas lebhafter zu machen. Wird die alte Tschechow-Regel etwa langsam brüchig?

>> CSI: Grabesstille (DVD)

Montag, Juni 05, 2006

Hallo Welt der Dramaturgie!


Ab heute wird es in diesem Weblog in (hoffentlich) regelmäßigen Abständen (ebenso hoffentlich) interessante Beiträge zum Thema Film- und Fernseh-Dramaturgie geben. Das Hauptinteresse dieser "Dramaturgiekritik" wird Krimis und Komödien gelten, ganz besonders deutschen Fernsehkrimis. Die behandelten Werke werden voraussichtlich völlig wahllos aus allen Jahren stammen, so dass sowohl brandaktuelle Filme als auch Klassiker sowie längst vergessene und selten wiederholte Überraschungen dabei sein werden. Dann und wann werden auch kleine Rezensionen zu dramaturgischen Fachbüchern dabei sein (als erstes voraussichtlich "Die kreative Matrix" von Philip Parker).

Ein zweiter Interessenschwerpunkt wird der Fernsehwissenschaft gelten und zwar insbesondere der Programmforschung, die nach wie vor zu wenig Beachtung und Diskussion findet. Als weiteres vereinzeltes Themengebiet sollen dann noch vereinzelt allgemein Medien- und Kommunikationswissenschaft dazukommen.

Einige Off-Topic-Beiträge werde ich mir sicherlich nicht nehmen lassen, schließlich hat man heutzutage die Möglichkeit, sich als Verbraucher in Blogs so richtig auszutoben...

Ich freue mich auf zahlreiche Diskussionen in Kommentaren, denn alles, was hier zu Film, Fernsehen, Dramaturgie und Kommunikation geschrieben wird, ist natürlich nicht der Weisheit letzter Schluss, sondern Work-in-Progress.